Kurs auf Spaniens Kueste
Mißverständnis vielleicht darauf beruhen«, fuhr er nach einer Pause fort, »daß Sie die Bestellung in kastilischem Spanisch aufgegeben haben?«
»Wieso?« Jack goß nach, hob sein Glas und blinzelte durch den Rotwein in die Sonne. »Es ist doch nur vernünftig, daß ich mein bestes Spanisch hervorkrame, wenn ich mit Spaniern etwas Wichtiges bespreche.«
»Gewiß. Aber Sie haben wahrscheinlich nicht berücksichtigt, daß Katalanisch das Idiom dieser Inseln ist.«
»Was ist Katalanisch?«
»Die Sprache der Provinz Katalonien natürlich. Man spricht es auf den Inseln und an der ganzen Mittelmeerküste, bis hinunter nach Alicante. Auch in Barcelona und Lerida. Überall in den reicheren Gegenden der Iberischen Halbinsel.«
»Erstaunlich! Davon hatte ich ja keine Ahnung. Eine andere lingua , sagen Sie? Obwohl ich annehmen möchte, daß es nur ein anderer Dialekt ist, ein putain , wie man in Frankreich sagt.«
»O nein, nichts Derartiges, beileibe nicht. Das Katalanische ist eine Sprache für sich, weit geschliffener und gebildeter, auch literarischer. Und sie steht dem Lateinischen viel näher. Übrigens, Sir, wenn Sie mir gestatten: der französische Ausdruck lautet patois .«
»Patois — ganz recht. Ich könnte allerdings schwören, das andere Wort kommt ebenfalls aus dem Französischen. Ich habe es irgendwo aufgeschnappt«, beharrte Jack. »Aber es ziemt sich nicht, Sir, daß ich vor Ihnen mit meinen Sprachkenntnissen prahle. Sagen Sie, klingt das Katalanische anders im Ohr, im ungeschulten Ohr, meine ich?«
»So unterschiedlich wie Italienisch und Portugiesisch. Der Katalane wird den Kastilier nicht verstehen und umgekehrt.
Beide Sprachen klingen völlig anders, die Intonation ist verschieden, auch die Tonart. So wenig verwandt wie Gluck und Mozart. Zum Beispiel heißt dieses ausgezeichnete Gericht neben mir — und ich sehe, daß der Wirt sein Bestes getan hat, um Ihren Befehlen zu gehorchen — auf kastilisch jabali , auf katalanisch jedoch senglar .«
»Aber ist es wenigstens Schweinefleisch?«
»Sogar Wildschwein. Darf ich Ihnen davon vorlegen?«
»Sehr freundlich. Würden Sie mir bitte noch das Salz reichen? Stimmt, es schmeckt ganz vorzüglich, aber ich hätte es niemals für Schweinefleisch gehalten. Was sind diese schwarzen Stückchen darin, die so gut schmecken?«
»Da bringen Sie mich in Verlegenheit. Im Katalanischen heißen sie bolets , aber die englische Bezeichnung weiß ich nicht. Vielleicht haben sie gar keinen Namen, keinen populären, meine ich. Der Biologe wird sie natürlich sofort als boletus edulis nach Linné erkennen.«
»Wie ...« Jack musterte Stephen Maturin mit unverhohlener Bewunderung. Er hatte zwei oder drei Pfund Hammelrippchen vertilgt, und das Wildschwein, das nun sehr schön auf dem Schaf saß, genoß jetzt sein ganzes Wohlwollen. »Wie ...« Aber dann wurde ihm bewußt, daß er dabei war, seinen Gast neugierig auszufragen. Deshalb hüstelte er nur verlegen und läutete nach dem Kellner, dem er die geleerten Weinkaraffen zum Nachfüllen gab.
Dennoch blieb Jacks Frage in der Luft hängen, und nur ein höchst frostiger oder krankhaft verschlossener Gesprächspartner hätte sie ignorieren können. »Ich bin hierzulande aufgewachsen«, antwortete deshalb Stephen Maturin. »Meine Jugend verbrachte ich zu einem Teil bei meinem Onkel in Barcelona, zum anderen bei meiner Großmutter auf dem Lande hinter Lérida. Genaugenommen habe ich länger in Spanien gelebt als in Irland. Als ich danach heimkehrte, um die Universität zu besuchen, habe ich meine mathematischen Studien in Katalanisch betrieben, das war für mich natürlicher.«
»Deshalb sprechen Sie es bestimmt wie ein Einheimischer«, sagte Jack. »Was für ein kolossaler Vorzug! Das nenne ich eine sinnvoll verbrachte Kindheit. Wollte nur, ich könnte von mir das gleiche sagen.«
»Aber nicht doch.« Stephen schüttelte den Kopf. »Ich habe meine Jugendzeit weiß Gott nicht sinnvoll genutzt. Zwar eignete ich mir einiges Wissen über die Vögel des Landes an — sein Reichtum an Greifvögeln ist übrigens erstaunlich, Sir — und auch über seine Reptilien; aber nicht über die Insekten, vielleicht mit Ausnahme der Schmetterlinge, und schon gar nicht über die Pflanzen. Nein, da tun sich bei mir ganze Abgründe bestialischen Unwissens auf! Erst nachdem ich einige Jahre in Irland gelebt und mein kleines Werk über die Samenpflanzen der Oberen Ossorei geschrieben hatte, begann ich zu begreifen, wie monströs ich meine
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