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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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Tageskajüte zu genießen. Die sonst üblichen Heckkanonen fehlten darin, denn wegen Sophies seltsamer Bauweise hätten sich ihre Mündungen nur sechs Zoll über der Wasseroberfläche befunden. Deshalb standen die beiden sperrigen Vierpfünder an Deck, direkt über seinem Kopf. Trotzdem blieb nur Platz für einen querschiffs aufgestellten Tisch mit Stühlen, einige Wandschränke und die Heckbank. Jack hatte jedoch mehr Lebensraum zur Verfügung, als er je zuvor auf See genossen hatte, und dieses Gefühl wärmte sein Herz. Besonders entzückten ihn die edel eingefaßten, nach innen gewölbten Fenster, die so klar waren, wie Glas nur sein konnte: sieben Scheiben in eleganter Flucht und ein Schmuck für den ganzen Raum.
    Noch nie hatte er ein so komfortables Logis sein eigen genannt; es war weitaus bequemer, als er in diesem frühen Stadium seiner Karriere hatte hoffen können. Woher also kam dieses leichte Unbehagen, das trotz aller Begeisterung an ihm nagte wie das aliquid amari seiner Schulzeit? Als er an Land zurückkehrte, in seiner eigenen Kommandantengig und gepullt von seinen eigenen Bootsgasten in weißem Leinen und mit Strohhüten, auf deren Bändern der Namenszug Sophie eingestickt war, während ein Fähnrich steif neben ihm auf der Heckducht saß und die Pinne bediente, da wurde ihm der Grund für sein Unbehagen endlich klar: Er war nicht länger »einer von uns«, er war jetzt einer von »denen«. Ab sofort verkörperte er die allgegenwärtige, allmächtige Autorität. Als er die Brigg inspiziert hatte, war er in Ehrerbietung eingesponnen gewesen wie in einen Kokon, man hatte ihm einen ganz anderen Respekt entgegengebracht als einem Leutnant.
    Er hatte sich gefühlt wie unter einer Glasglocke, abgeschnitten vom Rest der Besatzung. Ihm war nicht entgangen, daß die Männer der Sophie , als er von Bord ging, einen kollektiven Seufzer der Erleichterung ausgestoßen hatten, den er nur zu gut kannte: »Jehova sucht uns nicht länger heim.«
    Das war eben der Preis, den er bezahlen mußte, sagte er sich und »Danke, Mr. Babbington« zu dem Kind, als er auf die Kaitreppe sprang.
    Das Boot stieß ab und pullte durch den Hafen davon, geleitet von Mr. Babbingtons hohem Stimmchen: »Ruder an, wird’s endlich? Schlaf bloß nicht ein, Simmons, du Rumdrossel!«
    Es ist der Preis, den ich dafür zahlen muß, wiederholte Jack in Gedanken, und die Sache weiß Gott wert. Als er sich das klargemacht hatte, begann sein Gesicht wieder vor geheimem Glück und mühsam unterdrückter Begeisterung zu glühen. Und doch verriet der zielstrebige Schritt, mit dem er sich zum Rendezvous in die Crown begab — zu einem Rendezvous mit seinesgleichen — sehr viel mehr Entschlossenheit, als sie noch vor kurzem den Schritt des ehemaligen Leutnants Aubrey ausgezeichnet hatte.

ZWEITES KAPITEL

    DER RUNDE TISCH in Jacks Zimmer stand in einem Erker, der an der Rückfront der Crown so weit übers Hafenwasser vorsprang, daß sie die Austernschalen mit einer knappen Drehung des Handgelenks durchs Fenster in ihr altes Element zurückbefördern konnten. Von der Tartane, die fünfzig Meter unter ihnen entladen wurde, drang ein vertrautes Duftgemisch zu ihnen herauf: nach Stockholmer Teer, Hanf, Segeltuch und Chian-Terpentin.
    »Gestatten Sie, daß ich Ihnen noch eines von diesen Hammelrippchen vorlege, Sir?« fragte Jack.
    »Wenn Sie darauf bestehen«, antwortete Stephen Maturin. »Sie sind wirklich vorzüglich.«
    »Eine Spezialität der Crown«, fuhr Jack fort. »Obwohl ich darüber eigentlich ungehalten sein müßte, denn ich hatte Entenpastete, Rinderbraten à la mode und Schweinskopfsülze bestellt, dazu ganz andere Beilagen. Wahrscheinlich hat mich der Wirt mißverstanden. Weiß der Himmel, was diese Schüssel neben Ihnen enthält, Sülze ist es jedenfalls nicht. Visage de porco habe ich gesagt, ein übers andere Mal, und der Kerl hat so eifrig genickt wie ein chinesischer Mandarin. Es ist wirklich ärgerlich, wenn man fünf Gänge bestellt, sie auf spanisch ganz genau erklärt — cinco platos — und dann feststellen muß, daß nur drei Gänge aufgetischt werden, wovon zwei sogar falsch sind. Ich bin tief beschämt, daß ich Ihnen nichts Besseres anbieten kann, aber ich versichere Ihnen, es liegt nicht an mangelndem gutem Willen meinerseits.«
    »Oh, ich habe seit Tagen nicht mehr so gut gegessen, und dann noch«, mit einer Verbeugung, »in so angenehmer Gesellschaft. Mein Wort darauf!« versicherte Stephen Maturin. »Könnte das

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