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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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ins Gesicht, sein Atem kam in schweren Stößen, seine Augen wurden größer und — weil sich die Pupillen stark verengten — intensiver blau. Sein Mund verkrampfte sich noch mehr und mit ihm seine rechte Hand. Pupillen können sich symmetrisch bis auf den Durchmesser von einem Zehntelzoll zusammenziehen , notierte sich Stephen auf einem herumliegenden Zettel. Es knackte einmal laut und endgültig, dann folgte ein melancholisches, wirres Klirren — und mit einer Mischung aus Staunen, Zweifel und Pein hielt Jack Stephen seine derangierte Violine hin: Ihr Hals war glatt durchgebrochen.
    »Zerknackt!« rief er. »Einfach zerknackt!« Mit unendlicher Zartheit drückte er die Teile an der Bruchstelle wieder zusammen und hielt sie dort fest. »Das hab ich nicht gewollt, bei Gott nicht«, sagte er leise. »Diese Fiedel hat mich begleitet, seit ich meine ersten langen Hosen bekam.«
    Die Empörung über das der Sophie angetane Unrecht beschränkte sich nicht auf die Slup selbst, war aber dort natürlich am größten. Als die Crew beim Loswerfen ums Ankerspill stapfte, sang sie ein neues Arbeitsshanty, das wahrlich nicht von Mr. Mowetts züchtiger Muse inspiriert war:
    Old Harte — old Harte,
    That redfaced son of a dry French fart.
    Hey ho, stamp and go,
    Stamp and go, stamp and go,
    Hey ho, stamp and go.
    Der Vorsänger, der im Schneidersitz auf dem Spillkopf hockte, ließ seine Querpfeife sinken und stimmte leise das Solo an:
    Says old Harte to his missis
    O what do Isee?
    Bold Sophie's commander
    With his fiddle-dee-dee.
    Und wieder grollte der tiefe, arhythmische Refrain:
    Old Harte — old Harte,
    That one-eyed son of a blue French fart ...
    James Dillon wäre dazwischengefahren, aber dem armen Mr. Dalziel sagten die Anspielungen nichts, deshalb ging das Shanty endlos weiter, Strophe für Strophe, bis die Ankertrosse unten in ordentlichen Achten aufgeschossen war, stinkend nach dem Modder von Mahón. Die Sophie setzte ihre Stagsegel und braßte die Fockbramrah rund. Sie fiel ab, bis sie auf Höhe der Amelia lag, die sie seit ihrem Gefecht mit der Cacafuego nicht mehr gesehen hatte. Plötzlich bemerkte Mr. Dalziel, daß die Takelage der Fregatte voller Männer stand, alle mit Hüten auf dem Kopf und der Sophie voll zugewandt.
    »Mr. Babbington«, sagte er gedämpft aus Sorge, er könne sich irren, denn dies hatte er erst einmal im Leben gesehen, »sagen Sie dem Kommandanten, daß ich glaube, die Besatzung der Amelia steht zur Ehrenbezeigung für uns im Rigg.«
    Jack kam blinzelnd an Deck, gerade als das erste Hurragebrüll ertönte, ohrenbetäubend bei nur fünfundzwanzig Metern Abstand. Dann folgten das Pfeifentrillern des Bootsmanns drüben und das zweite Hurra mit Hüteschwenken, so präzise vorgetragen wie ihre eigene Breitseite; und schließlich das dritte. Jack und seine Offiziere hatten barhäuptig Haltung angenommen, und sowie der letzte Ruf verhallt war, rief er laut: »Ein dreifaches Hurra für die Anielia !« Die Sophies, obwohl bis über die Ohren in Arbeit beim Ablegen, reagierten heldenhaft, stimmgewaltig und geschmeichelt errötend. Sie wußten, was sich gehörte, und legten ihre ganze Kraft in die dreifache Antwort. Dann hieß es auf der Amelia , die nun schon weit achteraus lag: »Ein letztes Mal: Hurra!«, und danach wurden die Männer von den Rahen gepfiffen.
    Es war ein hübsches Kompliment und ein nobler Abschied, der ihnen Genugtuung bereitete. Aber nichts konnte die Sophies über ihren Gram hinwegtrösten, nichts konnte verhindern, daß sie bei jeder Gelegenheit riefen: »Wir wollen uns're sieb'nunddreißig Tage wiederha'm!«, als eine Art Losungswort unter Deck oder sogar oben bei der Wachablösung, wenn sie’s wagen durften. Das war der Pflichterfüllung nicht gerade förderlich, und in den folgenden Tagen und Wochen gab ihre ungewohnte Trödelei öfter Anlaß zu Kritik. Auch die Disziplin hatte unter dem Zwischenspiel in Mahón stark gelitten.
    Als Ergebnis ihrer zornigen Zusammenballung zu einem einzigen trotzigen, mißbrauchten Haufen lockerten sich vorübergehend die Befehlsstrukturen (in ihren feineren Verästelungen) an Bord. Unter anderem hatte der Profoß geduldet, daß die zum Dienst zurückkehrenden Verwundeten Tierhäute und Schweineblasen voll Branntwein, Anisschnaps und einer farblosen Flüssigkeit mitbrachten, die ihnen als Gin verkauft worden war. Eine schändliche Anzahl Männer hatte sich dem Trunk ergeben, unter ihnen der Captain des Fockmasts (delirierend) und die beiden

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