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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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dafür von ihren Vorgesetzten bekamen, an ehrlicher Überzeugung fehlte. Der Tampen, mit dem auf sie eingeprügelt wurde, erzielte nicht mehr Wirkung als ein streichelndes Taschentuch. Und selbst der Neuling Dalziel war entsetzt über den Skandal, zumindest über das, was sich ihm davon durch Gerüchte, Andeutungen, heimliches Lauschen, Bumbootklatsch und die Abwesenheit der schnittigen Cacafuego offenbarte.
    In Wahrheit war die Ungerechtigkeit, mit der sie behandelt wurden, noch skandalöser, als die Gerüchteküche ahnte. Arzt und Kommandant der Sophie saßen zwischen Stößen von Papier in der Achterkajüte, wo Stephen Jack mit dem Schreibkram geholfen und auch eigene Briefe verfaßt hatte. Darüber war es drei Uhr morgens geworden. Die Sophie wiegte sich leise an ihrer Muringleine, und ihre Besatzung schnarchte sich dichtgedrängt durch die ganze Nacht (ein seltener Luxus, auf die Liegezeit im Hafen beschränkt).
    Jack war überhaupt nicht an Land gewesen und hatte auch nicht die Absicht. Die Stille, das Fehlen der gewohnten Schiffsbewegungen, die lange Arbeit mit Tinte und Feder schienen sie in ihrer hell erleuchteten Zelle vom Rest der dunklen Welt zu isolieren. Und so bekam ihr Gespräch, das zu jeder anderen Zeit unziemlich gewesen wäre, etwas ganz Natürliches.
    »Kennen Sie eigentlich Martinez?« fragte Jack leise. »Diesen Spanier, der sein Haus an die Hartes vermietet hat?«
    »Ich habe von ihm gehört«, antwortete Stephen. »Martinez ist ein Spekulant, ein umtriebiger Neureicher, steht aber finanziell etwas wacklig da.«
    »Also, dieser Martinez hat die Lizenz zur Beförderung der britischen Post bekommen — bestimmt ein undankbarer Job — und hat diesen jämmerlichen Kahn, die Ventura , als Paketboot angekauft. Sie ist seit ihrem Stapellauf noch nie schneller als sechs Knoten gelaufen, und wir sollen sie nach Gibraltar geleiten. Weiter nichts dabei, sagen Sie. Ja, aber wir sollen den Postsack befördern, ihn kurz vor der Mole an sie übergeben und sofort kehrtmachen. Wir sollen nach Mahón zurücksegeln, ohne mit Gib in Kontakt zu treten oder dort an Land zu gehen. Und ich will Ihnen noch was verraten: Er hat meinen offiziellen Bericht nicht mit der Superb weitergeleitet, die zwei Tage nach uns ins Mittelmeer auslief, und auch mit der Phoebe nicht, die direkt nach England segelte. Ich halte jede Wette, daß er hier drinsteckt, hier in diesem schmuddeligen Sack. Mehr noch: Ich weiß so sicher, als hätte ich’s schwarz auf weiß, daß sein Begleitschreiben nur so strotzt von diesem Quatsch über die Irregularität der Cacafuego und ihres Kommandanten, von dieser Haarspalterei über ihren Status als Kriegsschiff. Miesmacherei und Verzögerung ... Deshalb stand noch nichts in der Gazette. Deshalb kamen auch keine Beförderungen. Der Admiralitätsumschlag enthielt nur seine eigenen Befehle, die er für den Fall mitbrachte, daß ich auf ihrer schriftlichen Ausfertigung bestand.«
    »Gewiß. Seine Absicht ist sonnenklar, selbst für ein Kind. Er hofft, Sie zu provozieren, bis Sie die Beherrschung verlieren. Er hofft, daß Sie sich durch Ungehorsam die Karriere ruinieren. Lassen Sie sich nicht blenden von Ihrer Wut, ich flehe Sie an.«
    »Oh, ich mache mich schon nicht zum Narren.« Jack lächelte etwas gezwungen. »Aber was das Provozieren betrifft, muß ich zugeben, daß er damit bewundernswerten Erfolg hatte. Wenn ich daran denke, zittert meine Hand so, daß ich wahrscheinlich nicht mal eine Skala einstellen könnte«, sagte Jack und griff nach seiner Geige. Während er sie auf Schulterhöhe hob, zuckten ihm quälende Gedankenfetzen durch den Kopf, intime Gedanken voller Selbstmitleid: an die vergeudeten Wochen und Monate kostbarer Seniorität — schon waren Douglas von der Pboebe , Evans in Westindien und ein gewisser Kapitänleutnant Raitt, den er nicht kannte, laut Gazette zu Vollkapitänen befördert worden; damit hatten sie ihn auf der Rangliste unwiderruflich überholt, er würde nun für alle Zeit im Dienstalter unter ihnen stehen. Kostbare Zeit verloren ... Dazu diese beunruhigenden Gerüchte über einen bevorstehenden Friedensschluß. Und vor allem der vage, nicht einmal sich selbst ganz eingestandene Verdacht, daß Lord Keiths Warnung sich erfüllen könnte: Ohne Beförderung war seine Laufbahn schon jetzt zu Ende.
    Er klemmte sich die Geige unters Kinn, preßte die Lippen zusammen und hob den Kopf. Aber das reichte bereits, um einen Ansturm der Gefühle in ihm freizusetzen: Röte stieg ihm

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