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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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den Broktauen aufgefangen wurde, war zuviel für die arme Sophie . Außerdem machten sich die beiden Zwölfpfünder mit ihrem Zubehör auf dem engen Deck vorn und achtern so breit, daß für die Handhabung des Schiffes kein Platz mehr blieb. Trotzdem war Jack verbittert. Eine Zwölf-Pfund-Kugel konnte noch auf fünfhundert Meter die Bordwand eines Gegners durchschlagen; sie konnte ihn mit einem Hagel tödlicher Splitter eindecken, konnte eine Rah aus der Takelage reißen und überall großen Schaden anrichten. Er nahm sich solch eine Kugel und ließ sie nachdenklich von einer Hand in die andere rollen. Dagegen wirkte eine Vierpfundkugel, egal auf welche Distanz, wie ein Mückenstich.
    »Wenn Sie auch noch die Heckkanone abfeuern«, fuhr Mr. Lamb mit dem Mut der Verzweiflung fort, »hat Ihr Gast bald keinen trockenen Faden mehr am Leib. Die Plankenstöße halten diese Tortur einfach nicht aus.«
    William Jevons, ein Mann aus der Zimmermannsgang, kam von unten herauf und grollte: »Ein Fuß Wasser in der Bilge.« Er sprach so laut, daß man es noch im Masttopp gehört hätte.
    Der Zimmermann erhob sich, setzte seinen Hut auf, tippte respektvoll daran und meldete Jack: »Wir haben einen Fuß hoch Wasser in der Bilge, Sir.«
    »Schon gut, Mr. Lamb«, sagte Jack besänftigend. »Das pumpen wir auch wieder raus. Mr. Day ...« Er wandte sich an den Stückmeister, der für das Abfeuern der Zwölfpfünder an Deck gewankt war (und aus seinem Grab gekrochen wäre, hätte ihn seine Krankheit schon dahingerafft), »Mr. Day, sichern Sie die neuen Kanonen und laschen Sie sie fest. Bootsmann, bemannen Sie die Lenzpumpen.«
    Bedauernd tätschelte er das noch warme Rohr des Zwölfpfünders und ging nach achtern. Das eingedrungene Wasser bereitete ihm keine Sorgen. Die Sophie arbeitete hart in diesen kurzen, steilen Querseen und hätte allein durch ihre Bewegungen schon eine Menge Wasser gemacht. Aber er grämte sich um seine Zwölfpfünder, grämte sich gewaltig und blickte deshalb noch übelgelaunter zur anstößigen Großrah hinauf.
    »Wir müssen gleich die Bramsegel wegnehmen, Mr. Dillon«, knurrte er und griff zur Tafel mit den Kursberechnungen. Das war nur eine gewohnheitsmäßige Geste, denn er wußte genau, wo sie sich befanden. Mit dem sechsten Sinn des erfahrenen Seemanns war er sich ständig der bedrohlich lauernden Küste bewußt, dieses dunklen Streifens unter dem Horizont, gleich hinter seiner rechten Schulter. Sie hatten die ganze Zeit gegen den Wind gekreuzt, und auf der Tafel standen fast gleich lange Schläge verzeichnet — nach Ostnordost die einen, nach Westnordwest die anderen. Fünfmal hatten sie gewendet (die Sophie ging nicht so willig durch den Wind, wie er sich's gewünscht hätte) und einmal gehalst. Und sie hatten sieben Knoten Fahrt gemacht. In seinem Kopf spulten sich die Berechnungen ab, und das Ergebnis war sofort da, als er es brauchte. »Bleiben Sie noch eine halbe Stunde auf diesem Kurs. Danach legen Sie sie fast vor den Wind — zwei Strich höher als genau achterlich. Das bringt Sie nach Hause.«
    Damit ging er in seine Kajüte und faßte den guten Vorsatz, etwas von dem Papierberg abzutragen, der auf ihn wartete. Abgesehen von den Vorratslisten und den Quittungen lagen da auch das Logbuch der Sophie , das ihm Aufschluß über die Vergangenheit des Schiffes geben würde, und die Musterrolle, die das gleiche über die Besatzung verriet. Er blätterte durch die Seiten.
    Sonntag, 22. September 1799: Wind NW, N, S; Kurs N40W, Etmal 49 sm; Mittagsposition 37°59'N 9°38'W, Kap. St. Vincent in S27E, 64 sm. Nachmittags steifer, böiger Wind mit Regenschauern, häufiger Segelwechsel; vormittags voller Sturm, um 4 Uhr Großsegel geborgen, um 6 Uhr fremdes Segel im Süden gesichtet; um 8 Uhr Nachlassen des Sturms, Großsegel mit einem Reff wieder gesetzt; um 9 Uhr Kontakt mit dem fremden Schiff: schwedische Brigg in Ballast, nach Barcelona bestimmt. Mittags Flaute, kein Ruder im Schiff.
    Dutzende solcher Einträge berichteten von ereignisarmer Tagesroutine oder vom Konvoidienst; eben von dem ganz normalen, nicht weiter spektakulären Alltag, der neunzig Prozent im Leben eines Kriegsschiffes ausmachte — oder mehr.
    Besatzung mit verschiedenen Arbeiten beschäftigt, die Kriegsartikel vorgelesen ... Konvoi hält Marschformation unter Bramsegeln und zweifach gerefften Marssegeln. Um 6 Uhr Geheimsignale mit zwei Linienschiffen gewechselt, Bestätigung ... Vollzeug gesetzt, Besatzung mit Klarschiff

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