Kurs auf Spaniens Kueste
schnellsten. Sehen Sie, jetzt nimmt sie Fahrt auf. Bei diesem Wind können sie die Hafenausfahrt anliegen, ohne auch nur eine Brasse anfassen zu müssen.«
»Sie segelt davon?«
»Richtig. Inzwischen muß sie schon drei Knoten machen, wenn nicht vier.«
»Bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, Sir.« Stephen lüftete den Hut.
»Ihr Diener, Sir.« Der Offizier lüftete den seinen. Unschlüssig sah er dem davonwankenden Zivilisten nach. Hätte er ihn fragen sollen, ob er sich nicht wohl fühlte? Egal, jetzt war es zu spät. Außerdem schien er sich wieder erholt zu haben.
Stephen hatte bei seinem Spaziergang zum Hafen hinunter feststellen wollen, ob er die Sophie zu Fuß erreichen konnte oder ein Boot mieten mußte, um seine Verabredung zum Mittagessen einzuhalten. Sein Besuch bei Mr. Florey hatte ihn davon überzeugt, daß er Jack Aubreys Angebot ernst nehmen konnte, mehr noch: daß es ein äußerst praktisches Angebot war und keinesfalls leichtfertig auszuschlagen. Wie entgegenkommend, wie äußerst entgegenkommend Mr. Florey doch gewesen war: Er hatte ihm eine Einführung in den ärztlichen Dienst der Navy gegeben, hatte ihn zu Mr. Edwardes von der Centaur begleitet, der gerade eine interessante Amputation vornahm, hatte ihm Blanes Werk über die typischen Krankheiten der Seeleute geliehen, außerdem Hulmes Büchlein über die Ursachen des Skorbuts , Linds Erste Hilfe und Northcotes Marinepraxis und hatte obendrein versprochen, ihm eine Grundausstattung an Instrumenten und Arzneien zu besorgen, bis Stephen seinen Spesenvorschuß und seine offizielle Seekiste bekam. »Im Hospital liegen Hohlnadeln, Tenakel und Ballonspritzen dutzendweise herum«, hatte Mr. Florey versichert, »ganz zu schweigen von Knochensägen und Küretten.«
All das hatte Stephens letzte Bedenken zerstreut. Und nun bewies ihm das ganze Ausmaß seiner Enttäuschung beim Anblick der Sophie , die ihre weißen Segel setzte und schnell über die glitzernde See entschwand, mit schmerzhafter Deutlichkeit, wie sehr er sich auf die neue Stellung, auf ferne Horizonte, auf ein sicheres Einkommen und die nähere Bekanntschaft mit Jack Aubrey gefreut hatte. Der aber hielt nun zügig auf die Quarantäne-Insel zu, hinter der er gleich verschwunden sein würde.
Völlig aus dem Gleichgewicht geraten, wankte Stephen bergan in die Stadt zurück. In letzter Zeit hatte er so viele Enttäuschungen erlebt, daß er glaubte, eine weitere nicht mehr verkraften zu können. Schlimmer noch, er hatte seinen Schutzpanzer abgelegt, hatte seine Schwachstellen entblößt, hatte sich selbst entwaffnet. Vollauf damit beschäftigt, seine letzten Kraftreserven zu mobilisieren, um die alte stoische Unverwundbarkeit zurückzugewinnen, schritt er blicklos an Joselitos Kaffeehaus vorbei und hörte auch nicht, daß Stimmen riefen: »Da ist er! Ruf ihn — lauf ihm nach — mach schnell, dann holst du ihn noch ein!«
An diesem Morgen war er nicht im Kaffeehaus gewesen, weil er vor einer simplen Alternative stand: Er konnte entweder das Frühstück bezahlen oder ein Fährboot zur Sophie , aber nicht beides. Deshalb hatte ihn Mowett nicht angetroffen.
Jetzt kam er hinter ihm hergerannt. »Dr. Maturin?« fragte der Junge und blieb wie erstarrt stehen, erschreckt durch des bleichen Mannes eiskalten Reptilienblick. Trotzdem stotterte er die Botschaft hervor und wurde mit einem schon viel menschlicheren Blick belohnt.
»Sehr freundlich«, sagte Stephen. »Um welche Zeit, glauben Sie, wäre es passend?«
»Oh, ich nehme an, gegen sechs Uhr.«
»Dann werde ich um sechs Uhr an der Kaitreppe der Crown sein. Besten Dank für die Geschicklichkeit, mit der Sie mich gefunden haben, Sir.« Sie trennten sich mit einer Verbeugung, und Stephen beschloß, im Hospital vorbeizuschauen, um Mr. Florey seine Hilfe anzubieten. Er hat einen mehrfachen Oberarmbruch zu richten, dachte Stephen. Und es ist schon lange her, seit ich einen Knochen unter meiner Säge habe knirschen hören. Ein Lächeln freudiger Erwartung erhellte sein Gesicht.
Kap Mola lag an Backbord achteraus. Die Windwirbel und Flautenlöcher, verursacht durch die stark gegliederte Nordküste der Insel, machten den Männern nicht länger zu schaffen. Unter Großsegel, Fock, einfach gerefften Marssegeln und Bramsegeln lief die Sophie mit einer gleichmäßigen Tramontana aus Nordost auf Italien zu.
»Bringt sie so hoch an den Wind wie möglich«, befahl Jack. »Was ist das höchste, Mr. Marshall, sechs Strich?«
»Ich glaube nicht, daß
Weitere Kostenlose Bücher