Kurs auf Spaniens Kueste
jedem Satz. Selbst wenn einer den Sinn der Worte nicht begriff, so hörte er doch ständig den mächtigen Paukenschlag des tödlichen Rächers dröhnen, und die Besatzung reagierte darauf mit heimlicher Genugtuung. Dies waren sie gewohnt, dies bekamen sie an jedem ersten Sonntag im Monat und bei besonderen Anlässen zu hören. Es beruhigte die Gemüter.
Als die Freiwache unter Deck entlassen wurde, wirkten die Männer weitaus zufriedener.
»Gut denn«, sagte Jack und blickte sich um. »Machen Sie das Signal dreiundzwanzig, und feuern Sie zwei Kanonen nach Lee ab. Mr. Marshall, wir setzen Groß- und Fockstagsegel, und sobald Sie sehen, daß diese Pinke zum Konvoi aufschließt, setzen Sie auch die Royals. Mr. Watt, lassen Sie den Segelmacher und seine Leute sofort mit der Arbeit am Rahgroßsegel anfangen und schicken Sie die Neulinge einzeln nach achtern. Wo ist mein Schreiber? Mr. Dillon, wir nehmen uns jetzt diese Wachrollen vor. Dr. Maturin, erlauben Sie, daß ich Ihnen meine Offiziere vorstelle ...«
Zum ersten Mal standen Stephen und James einander gegenüber, doch Stephen hatte den feuerroten Zopf mit dem schwarzen Band schon vorher erkannt und sich gewappnet. Dennoch war der Schock des Wiedersehens so stark, daß er unwillkürlich eine Miene kältester Reserviertheit und mühsam unterdrückter Feindseligkeit aufsetzte. James Dillon erschrak viel mehr über das Treffen. Bei der Hetze und dem großen Arbeitspensum der letzten vierundzwanzig Stunden war ihm der Name des neuen Schiffsarztes entgangen. Dennoch ließ er sich keine besondere Gefühlsaufwallung anmerken, nur sein Gesicht wechselte etwas die Farbe.
»Ich frage mich«, sagte Jack nach der Vorstellung zu Stephen, »ob Sie es unterhaltsam fänden, sich das Schiff anzusehen, während Mr. Dillon und ich uns an die Arbeit machen. Oder möchten Sie lieber in der Kajüte bleiben?«
»Nichts würde mir mehr Freude bereiten, als das Schiff zu besichtigen«, murmelte Stephen. »Ein so elegantes Konglomerat verschiedener ...« Der Rest blieb in der Luft hängen.
»Mr. Mowett, Sie zeigen Dr. Maturin freundlicherweise alles, was er zu sehen wünscht. Führen Sie ihn auch auf die Marssaling, von dort hat man eine herrliche Aussicht. Das bißchen Höhe macht Ihnen doch nichts aus, mein Bester?«
»O nein ...« Ziellos blickte Stephen sich um. »Es macht mir bestimmt nichts aus.«
James Mowett hatte einen röhrenförmigen Torso und mochte knapp zwanzig Jahre zählen; er trug eine Hose aus altem Segeltuch und einen gestreiften Guernseypullover, so grob gestrickt, daß er an den Pelz einer Raupe erinnerte. An einem Bändsel um seinen Hals hing ein Marlspieker, denn er hatte eigentlich beim Anfertigen des neuen Großsegels helfen wollen. Mit einem prüfenden Blick suchte er Klarheit darüber, was für einen Mann er in Stephen vor sich hatte, dann verbeugte er sich vor ihm mit der beiläufigen Grazie und dem freundlichen Respekt, die vielen Seeleuten angeboren scheinen, und fragte: »Also, Sir, wo möchten Sie beginnen? Wollen wir zuerst in den Masttopp steigen? Von dort oben können Sie das ganze Ausmaß des Decks überblicken.«
Das ganze Ausmaß des Decks umfaßte rund zehn Meter nach achtern und sechzehn nach vorn und war in voller Länge auch von dort überschaubar, wo sie jetzt standen. Trotzdem sagte Stephen: »Dann lassen Sie uns unbedingt hinaufsteigen. Gehen Sie voran, ich werde Ihre Bewegungen nachahmen, so gut ich's vermag.«
Nachdenklich beobachtete er, wie der junge Mowett in die Webeleinen sprang, und zog sich dann, in Gedanken ganz woanders, langsam zu ihm hinauf. James Dillon und er hatten den United Irishmen angehört, einem Geheimbund, der in den vergangenen neun Jahren öffentlich Gleichberechtigung für Presbyterianer, Dissidenten und Katholiken gefordert hatte, vor allem aber eine eigene irische Regierung durch gewählte Volksvertreter. Der Bund hatte sich zu einer bewaffneten Vereinigung äußerst entschlossener Rebellen entwickelt — und war bald darauf zu einem besiegten, gejagten Häuflein zusammengeschrumpft. Der irische Aufstand wurde niedergeschlagen, begleitet von den üblichen Greueln, und trotz des von den Engländern gewährten Generalpardons blieb das Leben der wichtigeren Anführer weiterhin bedroht. Viele von ihnen waren verraten worden — gleich zu Beginn Lord Edward Fitzgerald selbst —, und viele andere hielten sich noch verborgen, mißtrauten sogar ihren eigenen Familien. Die Ereignisse hatten die Gesellschaft und die
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