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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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Nation aufs schrecklichste gespalten. Stephen Maturin fürchtete nicht den gewöhnlichen Verrat, wie er auch nicht um sein Leben bangte, denn es besaß keinen allzu großen Wert für ihn. Aber er hatte unter den Verdächtigungen, Bösartigkeiten und haßerfüllten Exzessen, die eine gescheiterte Revolte mit sich bringt, so sehr gelitten, daß er nicht noch eine Enttäuschung, noch eine feindselige, rachsüchtige Konfrontation, noch eine zu Ablehnung oder Schlimmerem erkaltete Freundschaft ertragen konnte. Innerhalb der United Irishmen hatte es schon immer heftigen Richtungsstreit gegeben, und jetzt, da der Bund zerschlagen war, ließ sich ohne täglichen Kontakt von keinem der wenigen Überlebenden sagen, wo er stand.
    Mochte Stephen auch weder um seine Haut noch um sich selbst fürchten, so ließ ihn doch sein kletternder Körper bald, nämlich auf halber Höhe der Wanten, aus eigenem Antrieb wissen, daß er sich im Stadium wachsenden Entsetzens befand. Eine Höhe von zwölf Metern mag nicht besonders eindrucksvoll sein, aber wenn die eigenen Füße lediglich auf einer schwankenden Leiter aus dünnen, biegsamen Tauen stehen, wirkt dieser Standort beängstigend hoch, luftig und gefährlich.
    Als Stephen drei Viertel des Aufstiegs bewältigt hatte, zeigte der Ruf »Belegen!« an, daß die Stagsegel gesetzt und nach achtern geschotet waren. Sie füllten sich, und die Sophie legte sich ein oder zwei Grad weiter nach Lee über. Dies traf zufällig mit einer leewärtigen Rollbewegung zusammen, deshalb verschwand die Reling langsam unter Stephens abwärts gerichtetem Blick, und die blanke See trat an ihre Stelle, eine weite Fläche glitzernden Wassers sehr tief unten, direkt unter seinen Füßen. Sein Griff um die Webeleinen verkrampfte sich, und an einen weiteren Aufstieg war nicht mehr zu denken. Arme und Beine gespreizt, hing er wie gekreuzigt in den Wanten, während die entgegengesetzten Effekte der Schwerkraft, der Zentrifugalkraft, der blinden Panik und des klarsichtigen Überlebenswillens auf seinen reglos erstarrten Körper einwirkten. Das eine Mal wurde er nach vorn gepreßt, so daß sich das gewürfelte Geflecht der Wanten und Webeleinen in seine Brust drückte, das andere Mal schwang er nach rückwärts ins Leere, bis er, flatternd wie ein Hemd auf der Leine, nach hinten durchhing.
    Ein Schatten glitt links von ihm am Backstag herab. Zwei Hände schlossen sich sanft um seine Fußknöchel, und Mowetts heitere junge Stimme sagte: »Jetzt, Sir, bei der Aufwärtsbewegung. Packen Sie die Wanten — das sind die senkrechten Leinen — und schauen Sie nach oben. Los geht's.« Stephens rechter Fuß wurde fest auf die nächste Tausprosse gesetzt, sein linker folgte. Und nach einem letzten scheußlichen Rückwärtsschwung, bei dem er die Augen schloß und den Atem anhielt, empfing das Soldatenloch den zweiten Besucher an diesem Tag. Mowett hatte sich behende über die Püttingswanten nach oben gehangelt und stand schon auf der Marssaling, um Stephen auf die Plattform zu helfen. »Das ist der Großtopp, Sir.« Mowett bemühte sich, Stephens Entsetzen zu übersehen. »Und die andere Plattform dort vorn ist natürlich der Vortopp.«
    »Ich weiß die Freundlichkeit, mit der Sie mir geholfen haben, sehr zu schätzen«, sagte Stephen. »Vielen Dank.«
    »Aber nicht doch, Sir«, rief Mowett aus. »Ich bitte Sie ... Sehen Sie unter uns das Großstagsegel, das wir gerade gesetzt haben? Und da vorn ist das Fockstagsegel. Das bekommen Sie nur auf einem Kriegsschiff zu sehen, sonst nirgends.«
    »Diese Dreiecke? Warum nennt man sie Stagsegel?« fragte Stephen, noch immer geistesabwesend.
    »Na ja, Sir, weil sie an den Stagen gesetzt werden und wie Vorhänge an ihren Stahlringen auf und nieder gleiten; diese Ringe nennen wir Legel. Früher hatten wir Grummetstropps aus Tauwerk, aber letztes Jahr, als wir vor Cadiz lagen, haben wir Legel an die Segel genäht, damit geht es viel besser. Die Stage sind diese dicken Taue, die schräg nach vorn führen, bis ganz hinunter.«
    »Und sie sind dazu da, die Stagsegel zu tragen — verstehe.«
    »Na ja, Sir, sie tragen zwar Segel, aber ihre wichtigste Aufgabe ist es, die Masten abzustützen. Diese hier verhindern, daß die Masten nach hinten umfallen, wenn das Schiff stampft.«
    »Die Masten brauchen also Stützen?« Stephen machte einen vorsichtigen Schritt und tätschelte erst den flachen Topp des Untermasts und dann den abgerundeten Fuß der Maststenge: zwei starke, parallele Holzsäulen von

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