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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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Alle waren sie noch da, und das am weitesten zurückliegende Schiff setzte gerade mehr Tuch. Die Sonne wärmte bereits, und Jack fühlte sich angenehm faul und schläfrig werden.
    »Das kann ja wohl nicht angehen«, murmelte er. Unten wartete eine Menge Arbeit auf ihn. Er schneuzte sich und griff unwillkürlich nach dem Luvbackstag, den Blick immer noch auf den mit Langholz beladenen Schoner gerichtet. Seine Hand schloß sich so selbstverständlich um das Stag, als sei es die vertraute Klinke seiner Haustür, und er ließ sich daran hinabgleiten, bis er sanft an Deck landete, in Gedanken bei seinen Stückmannschaften, denen er je einen Neuling zuteilen wollte.
    Vier Glasen. Mowett warf die Logleine aus, wartete, bis die rote Markierung auf Höhe des Heckspiegels war, und rief: »Umdrehen!« Achtundzwanzig Sekunden später rief der Quartermaster: »Stopp!«, ihre kleinste Sanduhr dicht vor den Augen. Mowett bekniff die Leine fast genau am dritten Knoten und ging zum Kompaßhaus, wo er »drei Knoten« an die Tafel schrieb. Der Quartermaster hastete zur großen Sanduhr, drehte sie um und rief, diesmal mit voller Lautstärke: »George!« Der Seesoldat machte einen Schritt nach vorn und schlug gellend die Glocke an: vier Glasen.
    Im nächsten Augenblick brach ein Höllenspektakel los. Jedenfalls empfand es der erwachende Stephen Maturin als Höllenspektakel, denn er hörte zum ersten Mal in seinem Leben das ohrenmarternde Zwitschern der Pfeifen, unterbrochen von scheinbar willkürlichen Pausen. Es war das Signal Überall zurrt Hängematten! , geblasen vom Bootsmann und seinen Gehilfen. Hastiges Getrappel von allen Seiten, dann hörte Stephen eine mächtig einschüchternde Baßstimme brüllen: »Alle Mann, alle Mann! Reise, Reise, hackt ab das Blei vom Arsch! Auf, auf — ich hab ein scharfes Messer und ein gutes Gewissen.« Es folgten drei dumpfe Schläge, als ein Trio schlaftrunkener Landratten tatsächlich abgeschnitten wurde und mitsamt den Hängematten auf die Planken krachte. Stephen hörte Flüche, Gelächter, das Klatschen des Tampens, mit dem der Bootsmannsgehilfe einem begriffsstutzigen Wirrkopf Beine machte, und schließlich etwas wie eine Stampede, als fünfzig oder sechzig Mann durch die Niedergänge an Deck gerannt kamen, um ihre Hängemattenrollen in den Finknetzen an der Reling zu verstauen.
    Vorn hatte die Fockmastcrew die quietschende Ulmenpumpe in Gang gesetzt, und während die Vordecksleute das Vorschiff mit dem frisch heraufgepumpten Seewasser wuschen, schrubbte die Großtoppgang die Steuerbordseite des Achterdecks und die Achterdecksgang den ganzen Rest. Sie scheuerten die Planken mit ihren »Gesangbüchern« — hellen, weichen Sandsteinziegeln —, bis das Wasser wie verdünnte Milch ablief, von den zerriebenen Holz- und Wergfasern weiß gefärbt. Die Schiffsjungen und Freiwächter — Leute, die nur tagsüber Dienst taten — pumpten das über Nacht eingedrungene Wasser aus den Bilgen, und die Crew des Stückmeisters polierte die vierzehn Vierpfünder. Aber keine dieser vielfältigen Aktivitäten wirkte auf Stephen so alarmierend wie das Getrappel der rennenden Füße.
    Ist das ein Notfall? fragte er sich und kletterte eilends, aber vorsichtig aus seiner Schwingkoje. Ein Gefecht? Ein Brand? Ein riesiges Leck? Sind sie zu beschäftigt, um mich zu warnen — haben sie mich vielleicht ganz vergessen? ging es ihm durch den Kopf. So schnell er konnte, stieg er in seine Kniehose und richtete sich hastig auf. Dabei stieß er derart heftig gegen einen Decksbalken, daß er taumelte und, beide Hände auf den schmerzenden Kopf gepreßt, gegen einen Wandschrank sank. Zu allem Überfluß hörte er noch eine Stimme. Jemand sprach ihn an.
    »Was haben Sie gesagt?« fragte Stephen durch den Nebel seiner Schmerzen.
    »Ich fragte: ›Haben Sie sich den Kopf gestoßen, Sir?‹«
    »Ja.« Stephen musterte seine Hände. Erstaunlicherweise troff nichts rot herab. Nein, nirgends die geringste Blutspur.
    »Daran sind nur diese alten Balken schuld, Sir.« Die Stimme redete so überdeutlich und belehrend auf ihn ein, wie man auf See nur mit Landlubbern und an Land nur mit Dorftrotteln sprach. »Sie sollten sich vor ihnen in acht nehmen. Denn — sie — sind — sehr — niedrig.« Der blanke Haß in Stephens Blick brachte dem Steward seine Stellung immerhin so weit zu Bewußtsein, daß ihm wieder einfiel, weshalb er gekommen war. »Wären Ihnen ein oder zwei Koteletts zum Frühstück recht, Sir?« fragte er. »Oder

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