Kurs auf Spaniens Kueste
Fuß auf diese Feluke setzen, selbst wenn Sie die Pestkeime nicht mit zurückbringen, müssen wir beim Einlaufen in Mahón die gelbe Flagge setzen. Und Sie wissen, was das bedeutet: nämlich vierzig elende, sterbenslangweilige Tage auf der Quarantäne-Insel und sofortiges Erschießen, wenn Sie sich außerhalb der Palisade blicken lassen. Die halbe Besatzung würde allein schon aus Angst krepieren, ob Sie uns nun die Pest gebracht hätten oder nicht.«
»Sie wollen also dieses Schiff einfach seinem Schicksal überlassen, ihm keine Hilfe leisten?«
»Jawohl.«
»Aber das geht dann auf Ihre Verantwortung, auf Ihr Gewissen !«
»Natürlich.«
Im Logbuch fand dieser Zwischenfall kaum Erwähnung. Wer hätte auch die passenden offiziellen Formulierungen dafür gefunden, daß Sophies Chirurg Sophies Kommandanten mit beiden Fäusten vor der Nase herumfuchtelte. Also tat das Logbuch die Sache mit einem lakonischen Vermerk ab: Sprachen mit Feluke, abgedreht um 11.15 Uhr. Danach ging es schleunigst zu dem erfreulichsten Eintrag seit Jahren über (Captain Allen war ein glückloser Kommandant gewesen: Nicht nur, daß die Sophie unter seinem Befehl fast ausschließlich zum Konvoidienst abgestellt worden war — selbst wenn er tatsächlich einmal unabhängig kreuzen durfte, hatte sich die See wie durch Zauberei vor ihm geleert, so daß er keine einzige Prise erbeutet hatte), zu dem erfreulichen Eintrag, der da lautete: Nachmittags mäßiger Wind und klarer Himmel, Bramstengen gesetzt. Faß No. 113geöffnet, Pökelfleisch teilweise verfault. Um 19.00 fremdes Segel im Westen gesichtet, Verfolgung aufgenommen.
Westen hieß in diesem Fall genau in Lee der Sophie . Und Verfolgung bedeutete, daß sie jeden Fetzen Tuch setzte — auch die Leesegel auf allen drei Etagen, natürlich die Royals und sogar die Bonnets. Denn die Gejagte war als große Polacca identifiziert worden, mit Lateinersegeln an Vor- und Besanmast und mit Rahsegeln am Großmast. Deshalb mußte sie aus Frankreich oder Spanien kommen und einen hohen Wert darstellen— falls die Sophie sie einholen konnte. Beim ersten Insichtkommen hatte sie beigedreht gelegen, offenbar um ihren vom Sturm beschädigten Großmast zu reparieren. Aber kaum hatte die Sophie ihre Bramsegel getrimmt, legte sich die Polacca schon mit dem Heck vor den Wind und floh mit allem Tuch, das sie in der kurzen Zeit setzen konnte — eine sehr verdächtige Polacca, die sich nicht so leicht überraschen ließ.
In der ersten Viertelstunde legte die Sophie mit ihrer starken und in Segeldrill erfahrenen Besatzung zwei Meilen zurück, während die Polacca nur eine schaffte. Aber sobald diese erst alle Segel oben hatte, wurden beide Schiffe fast gleich schnell. Bei dem raumen achterlichen Wind, der ihr riesiges Rahgroßsegel voll zur Wirkung kommen ließ, war die Sophie dennoch eine Idee schneller und machte mit Höchstfahrt gut über sieben Knoten, die Polacca dagegen sechs. Aber der Abstand betrug immer noch vier Meilen, und in drei Stunden mußte es stockdunkel sein — der Mond ging erst um halb drei auf. Allerdings hegte man auf der Sophie die Hoffnung, eine recht begründete Hoffnung, daß auf der Polacca wieder etwas zu Bruch gehen würde, denn sie hatte gewiß eine schlimme Nacht hinter sich. An der Reling der Sophie blieben viele Gläser auf sie gerichtet.
Jack stand vorn am Steuerbord-Judasohr, betete mit ganzer Kraft um schnellere Fahrt und hätte seinen rechten Arm für eine wirkungsvolle Jagdkanone am Bug gegeben. Immer wieder drehte er sich um und prüfte den Stand der Segel oder starrte beschwörend in die hohe Bugsee, die schnell an der glatten schwarzen Bordwand vorbeirauschte. Allmählich gewann er den Eindruck, daß die hinteren Segel in ihrer augenblicklichen Stellung den Vorfuß eine Idee zu tief ins Wasser drückten — daß also der ungeheure Preß der Leinwand ihre Fahrt eher verlangsamte —, und er befahl, das Großroyal wegzunehmen. Noch nie war einer seiner Befehle unwilliger befolgt worden. Aber die Logleine bewies, daß er recht hatte: Von nun an lief die Sophie ein bißchen leichter, ein bißchen schneller, und der Hauptangriffspunkt des Windes verlagerte sich etwas nach vorn.
An Steuerbord voraus ging die Sonne unter, der Wind begann auf Nord rückzudrehen und wurde böig, aus dem Himmel hinter ihnen griff die Dunkelheit nach den Schiffen. Die Polacca hatte immer noch einen Vorsprung von einer Dreiviertelmeile und behielt ihren westlichen Kurs bei. Sowie der Wind quer
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