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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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Jno. Shannahan und Thos. Yates, zwölf Hiebe für Trunkenheit. Einen Bullen von 530 kg Lebendgewicht geschlachtet. Verbleibender Trinkwasservorrat 3 Tonnen.
    Sonntag, 1. Juli: Besatzung nach Divisionen gemustert, Kriegsartikel verlesen, Gottesdienst abgehalten und die sterblichen Überreste von Henry Gouges der See übergeben. Wetter mittags dto.
    Unverändert ruhiges Wetter also. Doch abends versank die Sonne glühendrot hinter einer Wolkenbank, die tief am westlichen Horizont dräute. Jedem Seemann an Bord war klar, daß das Wetter nicht länger »dito« bleiben würde.
    Die Erfahrenen lungerten auf dem Vordeck herum, kämmten ihre langen Haare und flochten sie einander wieder zu Zöpfen, wobei sie den Landratten freundlich die Wetterlage erklärten: Diese lange Dünung aus Südwest und die seltsam klebrige Hitze kamen von der glasigen, träge atmenden See und dem lastenden Himmel; das furchterregende Aussehen der Sonne kündete ein baldiges Bersten aller Himmelsschleusen an, einen apokalyptischen Wettersturz, kurz: eine saumäßige Nacht.
    Die Seeleute hatten reichlich Zeit zum Einschüchtern ihrer ahnungslosen Zuhörer, die schon der unnatürliche Tod des Loblollyboys deprimiert hatte. »Haha, Freunde«, hatte Henry Gouges gerufen, »heute werde ich fünfzig Jahre alt. O mein Gott«, und war stehenden Fußes gestorben, den unberührten Grogbecher noch in der Hand. Sie hatten reichlich Zeit, denn es war Sonntagnachmittag, und der natürliche Lauf der Dinge verlangte es, daß sich um diese Zeit müßige Seeleute mit aufgelöstem Haupthaar auf dem Vordeck versammelten. Einige der Begabteren prunkten mit so langen Zöpfen, daß sie sie hinten in den Gürtel stecken konnten. Jetzt hing dieser Kopfschmuck lose und gekämmt herab, wand sich als nasse Strähnen schlangenartig glatt und dünn, sträubte sich nach dem Trocknen und vor dem Ölen als wilde Mähne und verlieh seinem Besitzer etwas schrecklich Wüstes und Kassandrahaftes, was die bösen Vorahnungen der Neulinge noch verschlimmerte.
    Die Matrosen trugen dick auf. Aber auch mit der lebhaftesten Phantasie hätten sie das Ereignis, das schließlich eintrat, nicht übertrieben schildern können. Nach den ersten warnenden Böen am Ende der letzten Hundewache wuchs sich der Südoststurm in der Mittelwache zu einem gewaltig heulenden Orkan aus, so befrachtet mit warmem Regen, daß die Rudergänger die Köpfe unter seinem Trommelfeuer senken und seitlich durch die Mundwinkel atmen mußten, um überhaupt noch Luft zu bekommen. Die Seen bauten sich immer höher auf. Sie erreichten zwar nicht die Höhe der mächtigen Atlantikroller, waren aber steiler und deshalb tückischer. Gischt riß waagerecht von ihren Kämmen ab und peitschte durch Sophies Rigg, die immer wieder bekalmt in den Wellentälern liegenblieb, das Unwetter nur mit einem kleinen Sturmklüver abreitend. Dabei benahm sie sich allerdings prächtig: Sie mochte kein Schnellsegler sein und auch nicht gefährlich oder rasant aussehen; aber mit gestrichenen Maststengen, doppelt gesicherten Kanonen, fest verschraubten Luken und mit hundert Seemeilen Raum nach Lee lag sie so bequem und gelassen beigedreht wie eine Eiderente. Sie war auch ein bemerkenswert trockenes Schiff, stellte Jack fest, während sie erneut einen weißmarmorierten Steilhang aus Wasser erklomm, sich den tobenden Kamm der See geschickt unter den Steven packte und geschmeidig ins nächste Wellental hinabglitt. In Ölzeugjacke und gewachster Kalikohose stand Jack an Deck, einen Arm um eine Pardune gehakt, während sein klatschnasses gelbes Haar, das er als Lord Nelsons Verehrer lang und offen trug, auf den Wellenkämmen waagerecht nach Lee auswehte und in den Tälern zusammenfiel, ein natürlicher Windmesser. Er beobachtete aufmerksam, wie sich das Schiff im diffusen Licht des rasenden Mondes regelmäßig und fast träumerisch bewegte. Zu seiner großen Freude fand er seine Vorhersage, daß die Sophie ein tüchtiges Hochseeschiff sei, bestätigt und sogar noch übertroffen. »Sie segelt bemerkenswert trocken«, sagte er zu Stephen, der an Deck gekrochen war, weil er lieber an der frischen Luft sterben wollte. Sie hatten ihn an einen Pfosten gebunden, und nun stand er stumm, pitschnaß und erschüttert hinter dem Kommandanten.
    »Äh?«
    »Sie — segelt — bemerkenswert — trocken.«
    Gereizt runzelte Stephen die Stirn, denn dies schien ihm nicht die rechte Zeit für nebensächliche Bemerkungen.
    Aber die aufgehende Sonne schluckte den Wind, und

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