Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
Vom Netzwerk:
gegen halb acht am nächsten Morgen erinnerten nur noch die starke Dünung und eine über dem Löwengolf im Nordwesten liegende Wolkenbank an den nächtlichen Sturm. Der Himmel war von so unglaublich klarem Blau und die Luft so reingewaschen, daß Stephen erkennen konnte, welche Farbe die herabhängenden Füßchen eines Wellenläufers hatten, der zwanzig Meter achteraus über Sophies Kielwasser hüpfte. »Ich erinnere mich an die Tatsache eines extrem starken, lähmenden Entsetzens«, sagte er, den Blick immer noch auf den winzigen Sturmvogel gerichtet, »aber das innere Gefühl zu diesem Erlebnis kann ich nicht mehr heraufbeschwören.«
    Der Mann am Ruder und der Quartermaster am Kompaßhaus tauschten einen schockierten Blick.
    »Darin ähnelt es den Empfindungen einer Wöchnerin nach der Geburt«, fuhr Stephen fort, zwangsläufig noch lauter sprechend, denn er schritt dabei zur Heckreling, um den Wellenläufer nicht aus den Augen zu verlieren. Rudergänger und Quartermaster wandten hastig den Blick voneinander ab: Das war ja schrecklich — jeder konnte den Doktor hören. Sophies Chirurg, der Retter des Stückmeisters — Lazarus Day wurde er genannt, seit ihm Stephen bei hellichtem Tag und im Beisein der faszinierten Besatzung den Schädel geöffnet hatte —, wurde zwar hoch geschätzt, aber niemand vermochte zu sagen, wie weit er seine Unschicklichkeiten noch treiben würde. »Ich erinnere mich an einen Augenblick ...«
    »Segel in Sicht!« kam zur Erleichterung aller.
    »Wo?«
    »In Lee. Zwei oder drei Strich achterlicher als querab. Eine Feluke in Not — alle Segel schlagen.«
    Die Sophie fiel ab, und bald konnte man auch von Deck die ferne Feluke sehen, wie sie im unruhigen Seegang stieg und fiel. Sie machte keinen Versuch, wieder Fahrt aufzunehmen, den Kurs zu ändern oder auch nur beizudrehen, sondern lag steuerlos da, während ihre Segelfetzen im ersterbenden Wind nach Lee auswehten. Auch reagierte sie weder auf das Flaggensignal noch auf einen Anruf der Sophie . Niemand stand an der Pinne. Beim Näherkommen konnten die mit Gläsern ausgerüsteten Offiziere das Ruder unkontrolliert schlagen sehen, während die Feluke gierte.
    »Da liegt eine Leiche an Deck«, stellte Babbington hämisch fest.
    »Keine einfache Sache, bei diesem Seegang ein Boot auszusetzen«, sagte Jack mehr oder weniger zu sich selbst. »Williams, bringen Sie uns längsseits. Mr. Watts, stellen Sie ein paar Mann an die Seite, um sie abzuhalten. Ihre Ansicht dazu, Mr. Marshall?«
    »Tja, Sir, ich glaube, sie kommt aus Tanger oder Tétouan, jedenfalls vom westlichen Teil der Küste ...«
    »Dieser Mann da in dem viereckigen Loch ist an der Pest gestorben.« Mit einem Klicken schob Stephen Maturin sein Teleskop zusammen.
    Totenstille folgte dieser Bemerkung, nur der Wind seufzte schwach im Rigg. Der Abstand zwischen den beiden Schiffen verringerte sich schnell, und jetzt war mit bloßem Auge zu erkennen, daß eine reglose Gestalt halb im achteren Niedergang hing, mit vielleicht zwei weiteren Toten darunter. Ein fast nackter Leichnam lag im Leinengewirr neben der Pinne.
    »Kurs halten«, sagte Jack. »Doktor, sind Sie ganz sicher? Nehmen Sie mein Glas.«
    Stephen blickte kurz hindurch und reichte es zurück. »Daran gibt es nicht den geringsten Zweifel«, antwortete er. »Ich hole meine Tasche, dann steige ich über. Vielleicht sind noch Überlebende an Bord.«
    Die Feluke stieß jetzt fast an die Bordwand der Sophie , und eine zahme Ginsterkatze, wie sie öfter wegen der Rattenplage auf Schiffen der Barbareskenküste gehalten wurde, hockte auf der Reling, sah gespannt zu ihnen empor und setzte zum Sprung an. Volgardson, ein älterer Schwede und sonst einer der Gutmütigsten, schleuderte einen Schwabber nach ihr, der sie ins Wasser warf; die Männer an der Reling heulten und kreischten, um das possierliche Tier zu verscheuchen.
    »Mr. Dillon«, befahl Jack, »holen Sie die Steuerbordschoten dicht und nehmen Sie Fahrt auf.«
    Sofort kehrte Leben in die Sophie zurück. Bootsmannspfeifen schrillten, Leute rannten auf ihre Plätze, man brüllte und schrie Befehle — und im allgemeinen Chaos rief Stephen: »Ich bestehe auf einem Boot! Ich protestiere ...«
    Jack packte ihn am Ellenbogen und schob ihn mit fürsorglicher Gewalt in seine Kajüte. »Werter Herr«, sagte er, »ich fürchte, Sie dürfen weder insistieren noch protestieren. Das wäre Meuterei, müssen Sie wissen, und ich wäre gezwungen, Sie dafür zu hängen. Falls Sie auch nur einen

Weitere Kostenlose Bücher