Kurs auf Spaniens Kueste
schrecklichen Schreien auf sich hatte, hörte er sie viel deutlicher. »Den Doktor zu mir«, sagte er zu einem Seesoldaten.
Nachdem die aufregende Jagd vorbei war, hatte sich Stephen wieder auf seinen gewohnten Platz bei der Ulmenpumpe begeben, durch deren Rohr er hinunter in die sonnenhellen oberen Schichten des Mittelmeers blicken konnte. Als man ihm sagte, daß auf der Prise eine Frau in den Wehen liege, meinte er nur: »Ach so. Die Töne kamen mir doch gleich bekannt vor.« Worauf er Anstalten machte, an seinen Platz bei der Pumpe zurückzukehren.
»Sie können ihr doch gewiß helfen!« rief Jack.
»Die arme Frau liegt im Sterben«, wiederholte James.
Stephen sah sie mit seinem seltsam ausdruckslosen Blick an. »Ich gehe hinüber«, sagte er dann und verschwand, um seine Arzttasche zu holen.
»Dann ist sie ja in guten Händen«, seufzte Jack. »Sie sagten also, die Decksladung besteht aus Schießpulver?«
»Jawohl, Sir. Der reinste Wahnsinn.«
»Mr. Day — hallo, Mr. Day. Kennen Sie die französischen Pulvermarken, Mr. Day?«
»Wieso — gewiß, Sir. Sie kennzeichnen ihr Pulver fast genau wie wir, nur hat ihre beste Grobkörnung einen weißen Ring um das Rot. Und ihre Halbfässer wiegen nur fünfunddreißig Pfund.«
»Für wie viele davon haben wir Platz, Mr. Day?«
Der Stückmeister überlegte. »Wenn wir die unterste Lage ganz eng packen, vielleicht für fünf- bis sechsunddreißig Fässer, Sir.«
»Dann veranlassen Sie das, Mr. Day. Der Franzose hat eine Menge angegammeltes Schießpulver geladen — ich kann es selbst von hier aus sehen —, das müssen wir umladen, damit es nicht noch mehr verdirbt. Deshalb sollten Sie besser übersetzen und davon so viele Fässer sicherstellen, wie Sie können. Und ihre Barkasse könnten wir auch gebrauchen. Mr. Dillon, wir dürfen dieses schwimmende Pulvermagazin keinem Fähnrich anvertrauen. Sie werden die Slup nach Mahón bringen müssen, sowie das Pulver hier an Bord ist. Nehmen Sie mit, wen Sie für geeignet halten, und seien Sie so freundlich, Dr. Maturin in der Barkasse zu uns zurückzuschicken — wir brauchen sie dringend. Gott steh uns bei, was für ein entsetzliches Geschrei! Ich bedaure zutiefst, daß ich Ihnen so etwas zumuten muß, Mr. Dillon, aber Sie sehen ja selbst ...«
»Gewiß, Sir. Der Skipper der Slup bleibt an Bord, nehme ich an? Es wäre unmenschlich, ihn von seiner Frau zu trennen.«
»Ja, ja, auf jeden Fall. Der arme Kerl. Was für ein — was für eine schöne Bescherung!«
Die kleinen tödlichen Fässer wanderten übers Wasser und verschwanden im Laderaum der Sophie , ebenso ein halbes Dutzend melancholischer Franzosen samt ihren Seesäcken oder -kisten. Aber die nach einer Kaperung übliche Feststimmung wollte sich nicht einstellen. Auf der Sophie machten alle, selbst die erfahrenen Familienväter, schuldbewußte, besorgte und skeptische Gesichter, denn das schreckliche Gebrüll drüben wollte einfach nicht verstummen. Und als Stephen am Schanzkleid der Slup erschien und herüberrief, daß er an Bord bleiben müsse, fühlte sich Jack zwar schändlich beraubt, kapitulierte aber vor der Macht des Schicksals.
Vor einer achterlichen Brise lief die Citoyen Durand zielstrebig durch die Dunkelheit auf Menorca zu. Nun, da die Schreie der Frau endlich verstummt waren, überließ Dillon das Ruder einem verläßlichen Mann, besuchte kurz die wenigen Wachgänger unten in der Kuhl und ging dann in die Achterkajüte. Stephen wusch sich gerade die Hände, und der völlig zermürbte Ehemann hielt ihm zitternd ein Handtuch hin.
»Ich hoffe ...«, begann James.
»Oh, sicher, sicher.« Stephen fuhr zu ihm herum. »Eine völlig normale Geburt, sie dauerte nur ein bißchen lange. Nicht ungewöhnlich beim ersten Mal. Und jetzt, mein Freund«, er wandte sich wieder an den Skipper, »sollten diese Eimer am besten über Bord geworfen werden. Außerdem rate ich Ihnen, sich ein Weilchen hinzulegen. Monsieur ist Vater eines Sohnes geworden«, ergänzte er für Dillon.
»Meinen herzlichsten Glückwunsch«, sagte dieser. »Ich hoffe, Madame wird sich bald wieder erholen.«
»Danke, mein Herr, vielen Dank.« Des Skippers Augen drohten schon wieder überzulaufen. »Bitte, bitte, gießen Sie sich etwas Stärkendes ein — fühlen Sie sich hier ganz wie zu Hause.«
Sie gehorchten, nahmen in bequemen Sesseln Platz und aßen sich durch den Kuchenberg, der für des voreiligen Kleinen Taufe, nächste Woche in Agde, schon in der Kajüte bereitstand. Nebenan war
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