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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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begriffen.«
    »Haben Sie gehört, wie es Lady Edward — Pamela — danach ergangen ist?«
    »Nur daß sie jetzt in Hamburg lebt und die Familie sich um sie kümmert«
    »Sie war die schönste Frau, die ich jemals gesehen habe, und die gütigste. Keine war tapferer.«
    Aye, dachte Stephen und starrte in sein Cognacglas. »An jenem Nachmittag«, fuhr er fort, »verbrauchte ich soviel geistige Kraft wie noch nie im Leben. Trotzdem scherte mich schon damals keine gemeinsame Sache mehr und auch keine Regierungstheorie. Für eine wirkliche oder eingebildete Unabhängigkeit hätte ich keinen Finger mehr gerührt, gleich für welche Nation. Trotzdem mußte ich mit solcher Leidenschaft sprechen, als sei ich von der gleichen Begeisterung erfüllt wie in den ersten Tagen der Revolution, als wir noch vor Tugendhaftigkeit und Menschenliebe überquollen.«
    »Warum? Warum mußten Sie so sprechen?«
    »Weil ich ihn davon überzeugen mußte, daß seine Pläne eine verhängnisvolle Narretei waren, daß man sie im Schloß bereits kannte und daß er von Verrätern und Zuträgern umgeben war. Ich argumentierte so sachlich und logisch, wie ich nur konnte, überzeugender, als ich's mir selber zugetraut hätte — aber er begriff überhaupt nichts. Er hörte mir nicht mal richtig zu. ›Schau, da draußen im Lebensbaum sitzt ein Rotkehlchen‹ sagte er mittendrin. Für ihn zählte nur, daß ich ihm widersprach, also verschloß er sich mir. Vielleicht konnte er mir gar nicht folgen. Armer Edward! Aufrecht wie ein Binsenreis — und so viele in seiner Umgebung waren krumme Hunde von der schlimmsten Sorte — Reynolds, Corrigan, Davis ... Oh, er war bemitleidenswert.«
    »Würden Sie wirklich keinen Finger mehr rühren, auch nicht für gemäßigtere Ziele?«
    »Nein. Ich war schon bis ins Mark erkaltet, als die Französische Revolution in diesen Blutrausch ausartete. Und was ich dann 1798 auf beiden Seiten erlebte, die bösartige Grausamkeit und Brutalität und die genauso bösartige Beschränktheit, hat mir die Menschen als Kollektiv und jedes hehre Anliegen so verleidet, daß ich heute nicht mal quer durch diese Kajüte gehen würde, wenn ich dafür das Parlament reformieren, den Anschluß an England verhindern oder die Jahrhundertwende beschleunigen könnte. Wohlgemerkt, ich spreche damit natürlich nur für mich selbst, aus meiner eigenen privaten Erkenntnis — aber der Mensch als Teil einer Bewegung oder einer Gruppe ist mir gleichgültig. Er hat für mich nichts Menschliches mehr. Und auch mit Nationen oder Nationalismus will ich nichts mehr zu tun haben. Engagement bringe ich — soweit überhaupt — nur noch für die Menschen als Individuen auf. Meine Bindungen — was immer sie wert sein mögen — gelten einzig und allein Privatpersonen.«
    »Patriotismus bedeutet Ihnen nichts?«
    »Die Debatte darüber habe ich abgeschlossen, mein Bester. Sie wissen genausogut wie ich, daß Patriotismus eine Worthure ist. Die einen verstehen darunter right or wrong, my country , was infam ist, die anderen my country is always right , was kindisch ist.«
    »Und trotzdem haben Sie Captain Aubrey neulich daran gehindert, ein englisches Hetzlied zu spielen.«
    »Oh, ich bin natürlich inkonsequent, besonders in Kleinigkeiten. Wer wäre das nicht? Er war sich der Bedeutung des Liedes gar nicht bewußt, müssen Sie wissen. Hat nie einen Fuß auf irischen Boden gesetzt und war zur Zeit des Aufstands in Westindien.«
    »Und ich Gott sei Dank am Kap der Guten Hoffnung. War es schrecklich?«
    »Schrecklich? Auch wenn ich mich noch so anstrenge, finde ich keine Worte, die stark genug wären, Ihnen die Tolpatschigkeit, die Saumseligkeit, das mörderische Durcheinander, kurz die verdammte Dummheit des Ganzen zu beschreiben. Erreicht wurde überhaupt nichts. Der Aufstand hat die irische Unabhängigkeit um hundert Jahre verzögert; er säte Haß und Gewalt; er gebar ein widerliches Gezücht von so verräterischem Ungeziefer wie Major Sirr. Und er lieferte uns außerdem jedem erpresserischen Zuträger unter der Sonne aus.« Stephen überlegte. »Was dieses Hetzlied betrifft, so habe ich ihn daran gehindert, weil ich es einerseits ungern höre und weil andererseits mehrere irische Seeleute in Hörweite waren, kein einziger davon ein Sympathisant Englands. Es wäre ein Jammer, wenn sie ihn dafür hassen würden, obwohl er nicht mal im Traum an eine Beleidigung dachte.«
    »Sie sind ihm wohl sehr zugetan?«
    »Bin ich das? Ja, vielleicht. Ich würde ihn nicht als

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