Kurs auf Spaniens Kueste
die arme junge Frau endlich eingeschlafen, das runzlige rosa Baby leise schnarchend an ihrer Brust, während der junge Vater ihre Hand hielt. Unter Deck war es jetzt ruhig, wunderbar ruhig und friedlich. Und auch oben war alles still; der achterliche Wind schob die Slup mit stetigen sieben Knoten voran, und statt des präzisen militärischen Gebells hörte man gelegentlich nur ein mildes: »Liegt sie gut, Joe?« Ruhig segelten sie in ihrem schwach erleuchteten Kokon durch die Nacht, gewiegt von einer regelmäßigen Dünung. Die Stille und das langsame, rhythmische Rollen währten so lange, daß sie alle Erdenschwere verloren und sich allein auf der Welt fühlten, vielleicht sogar in einer anderen Welt. Die Männer in der Achterkajüte waren mit ihren Gedanken weit weg, und zumindest Stephen verlor jedes Gefühl für Bewegung, für das Woher und Wohin, ja sogar für die unmittelbare Gegenwart.
»Erst jetzt«, begann er leise, »haben wir endlich Gelegenheit, uns ungestört zu unterhalten. Ich habe diesen Augenblick schon ungeduldig herbeigesehnt. Aber nun stelle ich fest, daß es eigentlich nicht viel zu sagen gibt.«
»Vielleicht auch gar nichts«, antwortete James. »Ich glaube, wir verstehen einander selbst ohne Worte.«
Das stimmte; es stimmte jedenfalls, was den Kern der Sache betraf. Dennoch verbrachten sie die restlichen Stunden ihrer abgeschirmten Zweisamkeit in entspanntem Gespräch.
»Zum letzten Mal habe ich Sie wohl bei Dr. Emmet gesehen«, sagte James nach langer, nachdenklicher Pause.
»Nein, es war in Rathfarnham, bei Edward Fitzgerald. Ich verließ gerade das Sommerhaus, als Sie mit Kenmare hereinkamen.«
»Rathfarnham? Ach ja, richtig. Jetzt erinnere ich mich. Das war kurz nach der Versammlung des Komitees ... Sie standen Lord Edward recht nahe, glaube ich?«
»Wir sind in Spanien viel zusammengewesen. In Irland sah ich ihn mit der Zeit immer seltener. Er hatte Freunde, die ich weder sympathisch noch vertrauenswürdig fand, und ich war immer zu gemäßigt für ihn, viel zu gemäßigt. Dabei stritt ich damals weiß Gott eifrig für die Menschenrechte im allgemeinen und für eine Republik im besonderen. Erinnern Sie sich noch an den Test?«
»An welchen?«
»An den Test, der beginnt mit: Bist du ein aufrechter Mann?«
»Der bin ich.«
»Wie aufrecht?«
»So aufrecht wie ein Binsenreis.«
»Sprich weiter.«
»Aufrecht in Wahrheit, im Vertrauen, in Einheit und in Freiheit.«
»Was hast du da in der Hand?«
»Einen grünen Zweig.«
»Wo ist er gewachsen?«
»In Amerika.«
»Wo hat er geblüht?«
»In Frankreich.«
»Wo wirst du ihn pflanzen?«
»Nein, den Rest hab ich vergessen. Sie haben mich auch nicht mit dem Test geprüft, müssen Sie wissen. Sondern ganz anders.«
»Kann ich mir denken. Mich schon. In jenen Tagen hatte sich mir das Wort Freiheit wie mit glühenden Lettern ins Herz gebrannt. Aber schon damals war ich skeptisch, was die Einheit betraf — in unserem Bund hatten sich zu viele bunte Vögel versammelt: Priester, Gottgläubige, Atheisten und Presbyterianer; visionäre Republikaner, Utopisten und andere, die einfach nur die Beresfords verabscheuten. Aber Sie und Ihre Freunde waren in erster Linie für die Unabhängigkeit, erinnere ich mich.«
»Für Unabhängigkeit und Reformen. Ich zumindest hatte mit einer Republik nichts im Sinn, und meine Freunde im Komitee schon gar nicht. Solange Irland in diesem Zustand ist, wäre eine Republik keinen Deut besser als eine Demokratie. Dem Geist Irlands widerstrebt eine Republik. Eine katholische Republik — wie absurd!«
»Ist das Cognac in dieser Flasche?«
»Ja.«
»Die Antwort auf die letzte Testfrage mußte übrigens lauten: In die Krone von Großbritannien. Die Gläser stehen dort hinter Ihnen. Doch, ich weiß genau, daß es in Rathfarnham war«, sinnierte Stephen, »weil ich ihn den ganzen Nachmittag lang zu überreden versuchte, seine aberwitzigen Pläne für den Aufstand fallenzulassen. Sagte ihm, ich sei gegen Gewalt — sei immer gegen Gewalt gewesen —, und selbst wenn dem nicht so wäre, müßte ich mich zurückziehen, falls er mit seinen phantastischen Absichten Ernst machte. Sie würden unser aller Untergang sein — sein eigener, der Pamelas, der unserer gemeinsamen Sache und das Verderben so vieler tapferer, treuer Männer. Er betrachtete mich mit diesem liebevollen, besorgten Blick, als ob ich ihm leid täte, und sagte nur, er müsse sich jetzt mit Ihnen und Kenmare treffen. Er hatte überhaupt nichts
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