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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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angewiesen, daß irgendeine Nuance einer Sache, die uns begegnet, sich als Schlüssel erweist, wenn nicht für das Ganze, so wenigstens für einen weiteren Abschnitt. Und weißt du, was das schlimmste ist?“ Pauline sagte gehorsam: „Nein.“
    „Daß ich mich irren kann. Daß alles ein Irrtum sein kann.“
    „Das glaube ich kaum“, sagte Pauline. „Aber geht es dir jetzt wenigstens besser?“
    Wenzel lachte, zuerst etwas gezwungen, dann jedoch freier. „Ja, danke“, sagte er, fügte aber doch noch hinzu: „Wenn man wenigstens handeln könnte. Aktiv sein. Konkrete Dinge anpacken.“
    „Kommt auch noch“, erwiderte Pauline und kam sich fast weise vor. „Wir sind da.“
    Das Institut für Telepathie war offensichtlich keine sehr umfangreiche Einrichtung. Es nahm nur eine Etage eines alten Bürohauses ein, und davon wurden die meisten Zimmer, wie sie später bei einem Rundgang erfuhren, nur sehr sporadisch genutzt, wenn etwa Klienten einmal längere Zeit hier verbringen mußten oder Kollegen aus gleichartigen Instituten anderer Metropolen hier arbeiteten. Vielleicht wäre, wenn sie sich nicht angemeldet hätten, nicht einmal jemand dagewesen, an den sie sich hätten wenden können. So aber wurden sie von einem der Wissenschaftler dieser Einrichtung erwartet, einem etwa siebzigjährigen Professor, dessen Gesicht bedeutend und zugleich lustig aussah. Ein Mensch in diesem Alter an einem solchen Institut – das hieß doch, daß man es mit einem verbissenen Anhänger seiner Fachrichtung zu tun hatte; denn der, den sein Dienst nicht ganz und gar gepackt hatte, bemühte sich in den Fünfzigern um eine Lehrerprüfung, jedenfalls war das die normale Entwicklung und wenn er sich darum beworben hätte und durchgefallen wäre, würde er jetzt wohl nicht Professor sein. Aber verbissen war der Mann ganz und gar nicht!
    Pauline stellte diese Überlegungen an, weil sie – zwar höflich begrüßt, aber dann doch erst einmal in Wenzels Schatten stehend – zunächst nur zuzuhören brauchte. Sie betrachtete auch die sonderbare Grafik, die über dem Kopf des Professors die Wand zierte und irgendwie an ein EEG erinnerte. Plötzlich jedoch begannen die Auskünfte des Professors sie zu fesseln, obwohl oder vielleicht gerade weil sie fröhlich, unbekümmert und nicht ohne einen Hauch von Selbstironie vorgetragen wurden. Wenzel hatte das Problem der Todesfälle skizziert und die Behauptung jener Holographikerin angeführt, sie habe ein telepathisches Signal von ihrem Partner erhalten, und dann gefragt, ob das möglich wäre und ob es bei der Erforschung der Telepathie irgendwelche Erscheinungen gäbe, die ihr Problem tangieren könnten.
    „Möglich ist vieles“, sagte der Professor, „aber nachweisbar nur sehr wenig, und gar nichts aus der Vergangenheit. Ich muß wohl doch drei Sätze darüber sagen, wo wir auf unserm Gebiet stehen. Die drei Sätze lauten: Erstens – es gibt Telepathie. Zweitens – es gibt viel weniger Telepathie, als man denkt. Drittens – es gibt viel mehr Telepathie, als man denkt. Muß ich dazu noch mehr sagen?“
    Pauline konnte sich nicht zurückhalten, sie sagte laut: „Ja.“ Es klang fordernder, als sie beabsichtigt hatte.
    „Ich habe damit gerechnet“, sagte der Professor lächelnd. „Nach dem, was ich gehört habe, tappen Sie genauso im dunkeln wie wir auf unserm Gebiet.“
    „Was haben Sie denn gehört?“ fragte Wenzel.
    „Von Ihrem Langzeitversuch ATTACKE. Im Grunde gehen wir genauso vor, nur nicht mit so vielen Leuten, dafür seit drei Jahrzehnten und in rund hundert ähnlichen Instituten in allen Teilen der Welt. Wir betreuen hier zwanzig telepathieverdächtige Personen, mal hundert – sehen Sie, es kommt aufs gleiche hinaus. Wir haben bisher rund dreihundert bestätigte Fälle von Telepathie. Jedes Jahr kommen zehn dazu. Unser Gegenstand existiert demnach. Um aus unserer Arbeit eine Wissenschaft zu machen, fehlt uns nur das Wichtigste: die Fähigkeit, Telepathie experimentell hervorzurufen. Das ist der Stand.
    Der zweite Satz umschreibt unsere Arbeit. Die besteht nämlich hauptsächlich darin, nachzuweisen, was alles nicht Telepathie ist. Alle Methodik, die wir entwickeln, die Geräte, das Netz der Mitarbeiter, Recherchen – alles das ist zum größten Teil darauf gerichtet, die wenigen Fälle wirklicher Telepathie, die am Schluß übrigbleiben, hieb- und stichfest zu machen. Sie glauben gar nicht, womit einem die Leute kommen! Und nicht nur einzelne – es bilden sich immer wieder

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