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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Raumanzug traf, reichte nicht nur aus, ihn aufzuheizen, sondern auch, die Regeneration des Sauerstoffs zu betreiben. Damit würde sich sein Vorrat von zwanzig Stunden auf hundertzwanzig verlängern – jedenfalls lange genug, um von einem Rettungsschiff aufgefischt zu werden, falls er den Zollstock verfehlte. In diesem Fall freilich waren die fünf im Zollstock ohne Hilfe, also durfte er ihn nicht verfehlen.
    Als erstes mußte er maximale Geschwindigkeit aus dem Absprung herausholen, sich so kräftig wie möglich und in der Richtung so genau wie möglich vom Faß abstoßen. Das war leicht gesagt – das Ding taumelte im Raum, die letzten Steuerimpulse hatten die unkontrollierbare Bewegung noch verstärkt. Wenn er erst einmal abgesprungen war, konnte er nichts mehr korrigieren, wenigstens nicht ohne Handraketen, und die würde er später noch so nötig brauchen wie den Sauerstoff. Aber war das denn wirklich so? Konnte man aus dem Taumeln nicht auch Nutzen ziehen? Das Seil war fünfhundert Meter lang, er mußte es irgendwie so am Faß befestigen, daß er sich gleich nach dem Absprung zurückziehen konnte, während zehn oder fünfzehn Sekunden später das Seil vom Faß abgestreift wurde… Warte mal, vielleicht so: mit der stumpfen Seite des Doppelhakens hinter eine Kante hängen, die langsam in die Sprungrichtung eindrehte – ja, das mußte gehen! Er brachte das Seil zur Probe an und zog es fest, dann krabbelte er entgegen der Taumelrichtung um das Faß herum, die Leine löste sich ohne Schwierigkeit.
    Noch ein paar Minuten der Sammlung, ein paar Überschlagsrechnungen im Kopf, den Kurs betreffend, den er nehmen mußte – nein, bei dieser winzigen Geschwindigkeitsdifferenz war die Abweichung von der Parkbahn um die Sonne geringfügig. Also?
    Er sprang ab. Und sah sofort, daß er sich in der Richtung zu sehr vertan hatte. Schnell zog er sich wieder zurück und atmete tief durch, als er den Stahlhaken der Hand wieder in den Bezug des Fasses hieb.
    Noch einmal – diesmal war die Richtung gut, wenn auch der Stoß nicht ganz so kräftig war wie bei dem Versuch vorher. Er flog eine halbe Minute, dann holte er das Seil ein.
    Während der folgenden zwei, drei Stunden sprach er öfter und trotz der entfernungsbedingten Pausen mit Gagarin. Gewiß war er weder schwach noch neu im Raum, aber selbst der Stärkste und Erfahrenste brauchte bei solchem Alleinflug Kontakt. Wenn sie ihm auch nicht direkt helfen konnten, so erfuhr er doch etwas über die Gefährten an Bord des Zollstocks und daß für ihn ein Rettungsschiff bereitgestellt wurde.
    Mit den Handraketen, fünf waren es zu Anfang, ging er sparsam um, er nutzte nur eine zur Beschleunigung und behielt die anderen zur Kurskorrektur. Die nun wäre zwar zu Beginn am effektivsten gewesen, aber er war in der Orientierung auf das optische Prismensystem seines Helms angewiesen und konnte doch den Zollstock noch gar nicht sehen. Deshalb hob er sie lieber auf.
    Als er den Zollstock zum erstenmal erblickte, war eine Abweichung von der geraden Linie Anlage – Raumschiff kaum feststellbar. Später wurde sie deutlicher, die größere Geschwindigkeit hatte ihn ein bis zwei Kilometer, so schätzte er, über die gemeinsame Parkbahn der beiden Körper hinausgetragen, und er verwandte zwei Handraketen zur seitlichen Korrektur. Als er noch etwa einen Kilometer vom Schiff entfernt war – geschätzt immer, wenn auch mit den Hilfsmitteln seines Helms, die für sich genommen fast eine Ministernwarte darstellten –, verbrauchte er eine Handrakete zur Bremsung.
    Bis zu diesem Augenblick hatte er keine Angst gespürt. Jetzt hatte er nur noch eine Handrakete, und die mußte ihn, wenn er kurz vor dem Schiff war, darauf zutragen, bis seine Magnetstiefel mit der Außenhaut Kontakt hatten. Je näher er kam, um so deutlicher sah er, wie gut er mit seinen Antriebsmitteln gewirtschaftet hatte. Die Geschwindigkeit war, relativ zum Schiff, winzig, und er würde in vielleicht zwanzig Meter Abstand vorbeitreiben – ohne die Rakete.
    Und dann, als er in Höhe des Bugs war, wollte er die Rakete zünden – es ging nicht, sie sprang nicht an. Wäre das unterwegs passiert, hätte er sie schon in Gang gekriegt. Aber hier hatte er höchstens zwei Minuten Zeit, dann war er am Schiff vorbeigetrieben. Plötzlich überfiel ihn die Angst und lähmte ihn für Sekunden. Keine überflüssige Bewegung! war der erste Gedanke, der wieder durchdrang, dann: Zwei Minuten sind viel Zeit! Dann: Machst du dich eben selbst zur

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