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Kurs Sol-System

Kurs Sol-System

Titel: Kurs Sol-System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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eigenständigen Persönlichkeiten entwickeln, aber: War das denn so furchtbar schwer? Nein! Denn ohne die Vorarbeiten ganzer Generationen von Kunsthirnspezialisten und Quanteningenieuren wäre mir diese Erfindung niemals gelungen. Habe ich also dafür die Höchste Ehrung verdient? Nein und noch einmal nein!
    Ich werde jetzt eine unbewachte Außenschleuse aufsuchen und mich ohne Schutzanzug ins Weltall stürzen …
    Aus Dr. Gender DuBonheurs Reisetagebuch

 
    3.
     
    Aqualung, an Bord der Rheingold, 54-02-15, 04.12.19 TPZ
     
    Elf Stunden später, und Venus Tigern war sich noch immer nicht sicher, ob sie das alles wirklich erlebt hatte oder ob sie eine Geschichte phantasierte, in der eine Frau namens Venus Tigern eine Nebenrolle spielte. Seit sich das Hauptschott der Zentrale geöffnet hatte, hielt dieser Zustand schon an.
    Arbeitsroboter schleiften Leichen aus der Zentrale. Wartungsroboter vom Typ INGA 12 steuerten zwei Controgravtragen in den weitläufigen Kuppelraum. Auf eine luden sie die toten, auf die andere die verletzten Kalosaren. Ein Team aus Medizinern und Sanitätern kümmerten sich um drei Offiziere – zwei Männer und eine Frau –, deren Glieder zuckten und die unverständliches Zeug lallten. Zwischendurch kicherten sie, wie kleine Kinder kicherten oder manchmal auch Betrunkene. Ihre Gesichter waren seltsam verklärt, fast fröhlich. Giftpfeile aus den Blasrohren der Kalosaren hatten sie erwischt.
    Zwischen Kommandostand und Frontkuppel hockte im Schneidersitz der graupelzige Schamane Eli'zarlunga. Vor ihm lag der verletzte Caryxzar, der Erste Töter der Waldkalosaren an den blauen Wassern der Wälder von Lungur . Laserkaskaden hatten ihn in die Brust getroffen. Die Fäuste der Zweiten Offizierin hatten ihm den Rest gegeben; die Frau war mit Wangler, dem neuen Ersten Offizier, befreundet gewesen. Wangler war tot.
    Caryxzars Wunden sahen schlimm aus, und er atmete schwer. Doch der Schamane, selber ohne jede Schramme, ließ keinen der Bordmediziner an ihn heran. Er vollführte rätselhafte Gesten über dem Körper des Verletzten, schaukelte dabei mit dem Oberkörper hin und her und gab einen an- und abschwellenden Singsang von sich. Primoberst Joseph Nigeryan hatte angeordnet, den Alten in Ruhe zu lassen. Ein Primsoldat ließ sich in respektvollem Abstand nieder und behielt ihn im Auge.
    »Die beiden in die Kühlhalle bei Hangar einunddreißig.« Der Primoberst deutete auf seinen Ersten Offizier und Zweiten Navigator. Axthiebe und Lanzenstiche hatten sie getötet. Die Roboter legten sie auf eine dritte Schwebetrage. Die Zweite Offizierin schrie auf wie von Sinnen. Sie warf sich über den Toten und weinte laut.
    Venus hörte die Schreie, sah das gequälte, vom Wahnsinn gezeichnete Gesicht der Frau. Sie dachte an ihre Eltern. Tot. Sie dachte an ihre Schwestern, Brüder, Nichten und Neffen auf Genna. Tot. Wann würde sie endlich so schreien? Wann würde der tägliche Schmerz ihrer Seele endlich auf ihre Gesichtszüge finden? Ihr Körper straffte sich, sie atmete tief durch; und dann begann sie zu akzeptieren, daß es sogenannte Wirklichkeit war, was sich um sie herum abspielte, und daß sie mittendrin stand.
    Die Roboter transportierten die Trage mit dem toten Wangler aus der Zentrale. Dragurowka Sem wankte weinend hinterher. Zwei Sanitäter stützten sie.
    Ein INGA 12 zog einen toten Kalosarenkrieger von der Leiche des kleinen Offiziers auf den Stufen des Kommandostandes. Venus ging vor dem Toten in die Hocke und versuchte das halbverkohlte Namensschild zu lesen. Braun , stand dort in ehemals goldenen Buchstaben auf nur noch ansatzweise blauem Grund. Die Farben eines Primoberst.
    Wie alles andere auch wußte Venus das von ihrem Vater, Uran Tigern. Der war selbst Primoberst gewesen, bevor Intrigen in der Flottenleitung und kriminelle Machenschaften irgendwelcher Dunkelmänner ihn um Rang, Vermögen und Freiheit gebracht hatten.
    Venus blickte hinauf zu Joseph Nigeryan. Auch sein Name prangte in goldenen Buchstaben auf einem blauen Namensschild. Zwei Gleichrangige in der Kommandozentrale desselben Omegaraumers? »Wer war das?« fragte sie.
    »Ein Arschloch«, brummte der schwarze Mann. Seine Miene sprach Bände: Wut und Verzweiflung brannten darin. Er preßte die Lippen zusammen, sog die Luft geräuschvoll durch die Nase ein und sagte: »Entschuldigung. Er war Primoberst der Geheimen Galaktischen Sicherheitsgarde. Dolph Braun. Wäre er nicht schon tot, müßte man ihn standrechtlich erschießen. Er hat den

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