Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
Mamma Carlotta solche Streitigkeiten in dieser Küche unterbunden, noch dazu im Angesicht eines toskanischen Fischeintopfs, aber die gegenseitigen Vorwürfe der beiden Damen steuerten auf einen Höhepunkt zu, den sie sich nicht entgehen lassen wollte.
»Klar!«, höhnte Corinna. »Wenn man sich nicht zu schade ist, die Schwiegermutter des Hauptkommissars um einen Espresso anzubetteln, erfährt man eine Menge. Werden wir demnächst in der Mattino lesen, wie der Leiter der Ermittlungen mit seinen Dienstgeheimnissen umgeht? Dass man nur seine Schwiegermutter zu besuchen braucht, um zu wissen, wie es im Kommissariat zugeht? Erik Wolf wird sich freuen!«
Mamma Carlotta durchfuhr ein gewaltiger Schreck. Alle Welt sollte erfahren, dass sie von Eriks Arbeit mehr erfuhr, als die meisten Leute für richtig hielten? Madonna! Man würde sie für neugierig halten! Und Erik für pflichtvergessen! Dabei war er doch nur ein schwer arbeitender Kriminalhauptkommissar, der sich gelegentlich von der Seele reden musste, was ihm Schreckliches im Dienst widerfuhr. Er verließ sich natürlich auf ihre Diskretion!
»Finito!«, fuhr sie dazwischen und stampfte versehentlich mit dem Fuß auf, den sie sich beim Sprung aus dem Badezimmerfenster verletzt hatte. »Wenn Sie hergekommen sind, um sich zu streiten, dann können Sie wieder gehen. Beide!«
Prompt sah sie in betretene Gesichter. »Tut mir leid«, sagte Wiebke Reimers.
Und auch Corinna entschuldigte sich verlegen. »Da sind die Pferde mit mir durchgegangen.«
»Und zu behaupten, aus mir wären die Dienstgeheimnisse meines Schwiegersohns herauszufragen …«
»Das war nicht so gemeint«, unterbrach Corinna Matteuer sie reumütig.
»Ich würde niemals etwas an die Redaktion weitergeben«, fiel Wiebke ein, »ohne Ihren Schwiegersohn zu fragen.«
Mamma Carlotta gewann Oberwasser, bekam allerdings keine Gelegenheit mehr, es auszukosten. Kaum hatte sie angesetzt, die italienische Mentalität zu verteidigen, über das Löwenherz einer italienischen Mamma zu reden, über la famiglia, die über alles ging, über Schwiegerkinder, die so geliebt wurden wie die eigenen … da ging die Haustür, und Erik erschien mit Sören auf der Schwelle.
Verwundert sah er sich um. »Wir haben Besuch?«
Mamma Carlotta murmelte etwas von einer kurzen Frage, die Corinna Matteuer zu ihnen geführt habe, und dem sehr kurzen Besuch, den Wiebke Reimers ungünstigerweise ausgerechnet zur Mittagszeit machen wollte. Dann wandte sie sich dem Herd zu und begann laut zu klagen, weil ihr Cacciucco alla livornese schon viel zu lange köchelte und die Fische nun wohl trocken und vielleicht sogar ungenießbar sein würden. So laut schimpfte sie mit jedem Tintenfisch, den sie aus der Brühe hob, dass Erik Mühe hatte, Corinna und Wiebke zu vermitteln, er wolle ihnen aus den Jacken helfen.
Nun musste sich sogar der Staudensellerie einen barschen Tadel gefallen lassen, weil er viel zu weich geworden war, und als Mamma Carlotta sich vorstellte, dass Erik sie später nach dem Grund ihrer Unhöflichkeit fragen würde, fand sie auch an dem Knurrhahn etwas auszusetzen. Eriks Bemerkung »Wie ich meine Schwiegermutter kenne, hat sie so viel Antipasti gemacht, dass sie für alle reichen!« hätte den Fischeintopf beinahe ruiniert. Mamma Carlotta dachte tatsächlich kurz darüber nach, ob sie ihn ebenfalls, und zwar absichtlich, so gründlich versalzen sollte wie die Tomatensoße, um Erik eine Lektion zu erteilen. Er kannte doch ihre Gastfreundschaft! Wenn sie zwei Besucherinnen in dicken Wetterjacken in der Küche schwitzen ließ, dann hatte sie dafür ihre Gründe!
Aber sie brauchte nur einen Blick auf Sören Kretschmer zu werfen, der ratlos von einem zum anderen sah, die Explosionsgefahr zwar spürte, aber nicht die geringste Ahnung hatte, wie sie entstanden war, und stellte den Salzstreuer wieder weg. Nein, Sören hatte den Secondo verdient, er konnte ja nichts dafür, dass Erik bei Corinna Matteuer übernachtet hatte und sich von ihr umgarnen ließ. Und auch dafür, dass Mamma Carlotta sich in Wiebke Reimers schwer getäuscht hatte, konnte er nichts.
»Ich wusste gar nicht, dass du auch für Wohnungseinbrüche zuständig bist«, wandte sich Corinna an Erik, tat dann aber so, als bereute sie diese Bemerkung. »Entschuldige! In Gegenwart einer Reporterin möchtest du dich sicherlich nicht äußern. Sonst steht es nächste Woche in der Mattino. «
Erik zuckte gleichmütig die Schultern, während Wiebke versuchte, Corinnas
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