Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
sagen, dass wir alles daransetzen werden, sie wiederzufinden.«
Nun wirkte sie geradezu verblüfft. »Neben den Mordfällen hast du noch Zeit, dich um einen Handtaschendiebstahl zu kümmern?«
»Das eine lässt sich mit dem anderen verbinden.« Erik öffnete seine Jacke und löste den Schal, weil ihm warm wurde. Das Angebot des Kellners, ihm beides abzunehmen, lehnte er jedoch ab. Er wollte nicht der Versuchung erliegen, diesen Besuch länger auszudehnen, als nötig war. »In deiner Tasche befanden sich vermutlich Kredit- und Scheckkarten, Personalausweis, Handy …? Sehr unangenehm! Noch irgendwas von Wert? Oder … von ideellem Wert?«
Sie griff mit beiden Händen in ihre Locken, löste sie von den Ohren und schüttelte sie mit einer Kopfbewegung nach hinten. Er sah, dass sie Ohrstecker aus Bernstein trug. Die gleiche Farbe wie ihre Augen!
»Zum Glück habe ich noch Bargeld im Tresor meines Zimmers«, sagte sie. »Und mein Handy hatte ich gestern Abend vergessen. Die Hotelkarte war allerdings in der Tasche. Doch ich habe eine neue bekommen, die alte wurde ungültig gemacht. Da kann also nichts passieren. Und meine Kreditkarte und die EC-Karte habe ich natürlich sofort sperren lassen.« Sie seufzte, während sie die Brotscheibe mit Butter bestrich. »Als Erstes muss ich mir einen neuen Personalausweis beschaffen. Lästig!« Sie warf ihm einen schelmischen Blick zu. »Nur gut, dass ich meinen Presseausweis in Hamburg vergessen habe.«
Erik ging auf diese Anspielung nicht ein. »Du hast keine Ahnung, wer der Dieb gewesen sein könnte? In Käptens Kajüte halten sich selten mehr als zwei, drei Gäste auf.«
»Gestern war das anders«, behauptete Wiebke. »Der Vertreter von Tove Griess, dieser …«
»Fietje Tiensch?«
»Ja. Der hatte seine liebe Mühe, mit dem Grillen nachzukommen.«
»Und du hast deine Tasche unbeaufsichtigt gelassen?«
Sie nickte zerknirscht. »Das war dumm von mir, ich weiß. Ich bin nur kurz zur Toilette … als ich wiederkam, war sie weg.«
»Und niemand hatte was gesehen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Konnte nicht festgestellt werden, wer in der Zwischenzeit die Imbissstube verlassen hatte?«
Wieder schüttelte sie den Kopf und befasste sich so ausgiebig mit dem Belegen ihrer Brotscheibe, dass Erik das Gefühl hatte, sie verschweige ihm etwas. »Wenn du einen Verdacht hast, dann solltest du mir das sagen.«
Nun kam ihre Antwort schnell und klar: »Da war so ein Typ, der war mir vorher schon negativ aufgefallen. Schwarze Haare, dunkler Bart, abgerissene Kleidung. Aber den kannte keiner.«
»Hast du die anderen Gäste nach ihm gefragt?«
»Ja, habe ich! Aber die hatten den kaum beachtet. Das war eine große Männerclique. Die haben miteinander geredet und Spaß gehabt. Für andere Gäste hatten die keinen Blick.«
»Was wolltest du überhaupt in Käptens Kajüte?«
Sie tat überrascht. »Du weißt doch, dass ich dort war, als du Tove Griess verhaftet hast! Ich hatte Lust auf einen Cappuccino. Und weil ich schon mal da war …« Sie vollendete den Satz nicht.
Erik beschloss, es dabei bewenden zu lassen. Obwohl er nicht glauben mochte, dass ein Mann mit einer Damenhandtasche am Arm eine Imbissstube verließ, ohne dass es jemandem auffiel. »Ich möchte dich bitten«, begann er umständlich und strich sich erst mal ausgiebig seinen Schnauzer glatt, »mir noch einmal zu erzählen, wie das war, als du Dennis Happe gefunden hast.«
Nun gelang es ihr nicht, ihre Nervosität zu verbergen. Sie sah ihn nicht an, als sie antwortete: »Das habe ich alles schon gesagt.« Sie biss von ihrem Brot ab, und Erik hatte den Verdacht, dass sie es tat, um Zeit zu gewinnen. »Also gut, noch einmal: Die Reportage über die ach so erfolgreiche Unternehmerin Corinna Matteuer war auf Eis gelegt, weil die Dame sich nach dem Tod ihrer Schwester nicht in der Lage fühlte, mir Rede und Antwort zu stehen.« Das kam ein wenig geringschätzig heraus. Wiebke Reimers’ Antipathie für Corinna war mehr als deutlich.
»Ist doch verständlich, oder?«, wandte Erik ein, der es nach wie vor nicht mochte, wenn Corinna für eine eiskalte Frau ohne Gefühle gehalten wurde.
Wiebke lächelte, als gälte es, ihm diesen Einwurf zu verzeihen. »Da ich schon mal hier war, wollte ich etwas über die unbeliebte Investorin schreiben, die auf der ganzen Insel so gehasst wird, dass sie nur mit großer Sonnenbrille aus dem Haus geht. Und über die private Corinna Matteuer. Über ihre Schwester, die sich vom Balkon ihres
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