Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
Apartments gestürzt hat! Ich wollte sehen, wie sie als Chefin ist. Deswegen bin ich um das Baubüro herumgeschlichen. Ich dachte, sie wäre da drin.«
»Und da hast du das eingeschlagene Fenster gesehen?« Erik beobachtete Wiebke genau, während sie erneut von ihrem Brot abbiss und ihre Antwort damit hinauszögerte. »Oder war die Scheibe noch nicht eingeschlagen? Hast du …?«
»Natürlich war sie das«, unterbrach Wiebke und biss noch einmal ab.
»Wolltest du diesen Artikel auch der Mattino anbieten?«
»Ja, aber mein Chef hatte kein Interesse. Er hofft immer noch darauf, dass aus der Reportage über die erfolgreiche Unternehmerin was wird. Da kann er nicht gleichzeitig über einen Skandal in ihrem Umfeld berichten.«
»Du wirst den Artikel also woanders anbieten?«
Wiebke zuckte mit den Schultern. »Mal sehen. Wenn ich das tu, wird die Matteuer mir kein Interview mehr geben. Vielleicht ist es besser, ich halte die Fotos zurück und kann später die Reportage machen.«
»Die Fotos und alles andere, was du herausgefunden hast?«, fragte Erik provokant. Als Wiebke nicht antwortete, fügte er an: »Es gibt einiges, was du weißt. Hast du deine Kenntnisse bereits verkauft? An eins der Blätter, die täglich erscheinen? Für solche Zeitungen ist eine Meldung, die einen Tag zurückgehalten wurde, nicht mehr aktuell genug. Kann ich morgen im Express lesen, was du in meinem Haus erfahren hast?«
Sie sah ihn erschrocken an. »Du fürchtest, dass ich dir Unannehmlichkeiten mache? Nein! Darauf kannst du dich verlassen! Ich hab’s dir doch versprochen! Was denkst du denn von mir?« Und leiser fügte sie an: »Ich verstehe, dass es für dich nicht leicht ist. Corinna Matteuer war als junges Mädchen anscheinend ganz anders als heute. Du hast schöne Erinnerungen an diese gemeinsame Zeit. Du kannst die Investorin nicht so hassen wie alle anderen.«
Erik ging darauf nicht ein. Er sah auf seine Hände, als er fragte: »Eins noch … kanntest du Dennis Happe? Warst du mal bei ihm? In seiner Ferienwohnung?«
Sie wirkte verblüfft, einen Moment sah es so aus, als würde sie anfangen zu lachen. »Was soll das jetzt?«, fragte sie schließlich. »Ist das auch noch dienstlich? Oder rein private Eifersucht?«
Er antwortete nicht. Als sie nach seiner Hand griff, schaffte er es noch immer nicht, sie anzusehen. »Warum?«, fragte sie leise. »Warum muss ich so tun, als wäre nie etwas zwischen uns gewesen? Warum bereust du es, mich geküsst zu haben?«
Erik befreite seine Hand aus ihrer, legte den Schal über der Brust zusammen und schloss seine Jacke. »Ich bin Polizeibeamter«, sagte er langsam. »Der Kuss, wenn er auch schön war, wird mich nicht veranlassen, meine dienstlichen Pflichten zu versäumen.«
Wiebke antwortete nicht darauf, sah ihn nur mit großen Augen an, als verstünde sie nicht, was er ihr sagen wollte. Als er sich formvollendet verabschiedete – »Auf Wiedersehen, Frau Reimers!« –, nickte sie nur stumm und senkte den Blick.
Als Erik kurz darauf das Hotel verließ, war er nicht schlauer als vorher. Während er sich durch den Sturm zum Parkplatz kämpfte, pochte die Frage in seinem Kopf, warum sie ihn anlog. Hatte sie Dennis Happe tatsächlich umgebracht? Noch wollte er die Hoffnung nicht aufgeben, dass es eine andere Erklärung für ihre Spuren am Tatort gab.
Sören hatte hinter dem Lenkrad Platz genommen, Erik ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Der Sturm fauchte ins Auto, und als Erik die Tür geschlossen hatte, rüttelte er an der Karosserie, als wollte er versuchen, den alten Ford umzuwerfen und ins Meer zu wehen.
Sören legte das Handy zur Seite. »Der Manager von Sila Simoni hat nie was davon gehört, dass sie adoptiert wurde. Und die Eltern von Dennis Happe wissen nichts über die Herkunftsfamilie ihres Sohnes. Sie haben mir gesagt, es sei eine anonyme Adoption gewesen. Die leibliche Mutter hat sich nicht die Möglichkeit offen gelassen, später Kontakt zu ihrem Sohn aufzunehmen. Und Happe hat wohl auch nie nach ihr gesucht.« Sören startete den Motor. »Und weil ich gerade dabei war, habe ich auch Heino Hansen angerufen. Sie wissen doch, den Hausmeister. Er hat bestätigt, dass er mit Corinna Matteuer zusammen das Ina-Müller-Konzert gesehen hat. Tove Griess lügt uns also die Hucke voll. Von wegen, er hätte die Matteuer an diesem Abend bei Ludo gesehen! Kann gar nicht sein.« Langsam fuhren sie vom Parkplatz. »Und Sie, Chef? Haben Sie was rausbekommen?«
Erik schüttelte den Kopf.
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