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Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Titel: Kurschatten: Ein Sylt-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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würden. Dem Kartoffelsalat war anzusehen, dass er schon länger auf Interessenten wartete, und aus den Fischbrötchen tropfte der Sud. Dass Tove in den letzten Wochen einen Strahler angeschafft hatte, der oberhalb der Theke angebracht war und sein kulinarisches Angebot in einem besseren Licht erscheinen lassen sollte, war womöglich eine unüberlegte Investition gewesen. Zwar wirkte sein düsteres Etablissement dadurch ein wenig freundlicher, aber den Rollmöpsen und Frikadellen war unter diesem grellen Licht ihr Alter noch deutlicher anzusehen.
    Mamma Carlotta riss die Tür auf und rief: »Buon giorno!«
    Dass Tove Griess vor Schreck die Grillzange aus der Hand rutschte, war nichts Neues, und dass Fietje Tiensch, der melancholisch über seinem Jever saß, der italienische Gruß derart überrumpelte, dass er vergaß, sich den Bierschaum von der Nase zu wischen, erlebte Mamma Carlotta auch nicht zum ersten Mal. Dass diese Friesen immer so schreckhaft auf fröhliche und lärmende Ansprache reagierten! »Come sta? Tutto bene? Wie geht’s Ihnen?«
    »Bis gerade ging’s noch«, knurrte Tove Griess und spuckte den Zahnstocher, auf dem er bisher herumgekaut hatte, auf den Boden. »Aber wenn Sie erscheinen, meint man ja, es gäbe einen Tsunami.«
    Fietje Tiensch dagegen lächelte erfreut. »Schön, dass Sie wieder auf Sylt sind, Signora.«
    Danach brauchte er erst mal einen guten Schluck Bier, denn der Strandwärter gehörte zu denen, die sich nach einem vollständigen Satz bereits erschöpft fühlten. Aber dass er seine Bommelmütze zurückschob, statt sie so tief wie möglich in die Stirn zu ziehen, zeigte, dass ihn Mamma Carlottas Besuch tatsächlich erfreute.
    Auch der Wirt hatte seine eigene Art, Freude auszudrücken. Er griff unter die Theke und holte eine Flasche Rotwein aus Montepulciano hervor, entkorkte sie, goss ein Glas randvoll und brummte, als stieße er eine Beleidigung aus: »Geht aufs Haus!« Dann holte er sich einen neuen Zahnstocher, tauchte ihn in ein Schnapsglas, steckte ihn in den rechten Mundwinkel und bewegte sein Gebiss von links nach rechts.
    Mamma Carlotta schwang sich auf einen Barhocker, was ihr mittlerweile auf Anhieb gut gelang, und lehnte sich auf die Theke. Sie fühlte sich wohl. Die schmuddelige Umgebung ließ sich schnell vergessen, wenn man zwei alte Freunde wiedertraf. Dass Erik seine Schwiegermutter immer wieder vor Käptens Kajüte und dem mehrfach vorbestraften Wirt warnte, war ebenfalls leicht zu vergessen, wenn man einen wichtigen Grund hatte, hier zu erscheinen. Mamma Carlotta war für die Unterschriftenaktion auf dem Hochkamp zuständig, also auch dafür, dass Tove Griess und Fietje Tiensch ihre Namen auf die Liste setzten. Tove war gebürtiger Sylter, und Fietje lebte schon so lange auf der Insel, dass ihnen ihr Wohl am Herzen liegen würde.
    »Ecco!« Sie knallte die Liste auf die Theke, sodass ihr Rotweinglas in ernste Gefahr geriet. »Ich bin Mitglied der Bürgerinitiative! Was sagen Sie dazu?«
    In Toves Gesicht zeigte sich sofort Ablehnung. »Da will ich nix mit zu tun haben.«
    Mamma Carlotta war empört. »Sie sind Sylter! Ihnen kann es doch nicht egal sein, wenn Investoren vom Festland die Insel verschandeln!«
    Aber Tove und Fietje sahen so aus, als wäre es ihnen durchaus egal. Dass sie es nicht aussprachen, lag daran, dass sie Mamma Carlottas Temperament zwar gern bestaunten, es aber andererseits nicht herausfordern wollten. Ihre Gemütsaufwallungen weckten in einem durchschnittlichen Friesen schon Bestürzung, wenn sie froh gestimmt war, aber wenn sie sich auch noch aufregte, sahen die beiden manchmal so aus, als fürchteten sie sich vor ihr. Dass eine Italienerin, die mit den Armen ruderte, die Augen verdrehte und so laut und schnell redete, dass weder Tove und Fietje mitkamen, nach wie vor in berauschender Stimmung war, hatte sich den beiden noch immer nicht erschlossen. So duckten sie sich wie zwei Schüler, die Angst hatten, eine Antwort geben zu müssen, ohne die Frage verstanden zu haben.
    »Matteuer-Immobilien zahlt Bestechungsgelder an die Gemeinderatsmitglieder!«, fuhr sie fort und rieb vor Toves Augen Daumen und Zeigefinger aneinander, als zähle sie Geldscheine. »Und die finden dann plötzlich das Naturschutzgebiet in Braderup nicht mehr so wichtig. Die belügen sogar die Bevölkerung! Erzählen was von Gesundheitshaus und vergessen zu erwähnen, dass ein Hotel und ein Parkhaus auch dazugehören sollen. Meine Enkelkinder sagen, nur einer wäre nicht

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