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Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Titel: Kurschatten: Ein Sylt-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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tun.«
    Erik betrachtete sie, fragte sich, warum sie sich nicht endlich verabschiedete, und wünschte sich gleichzeitig, dass sie es nicht tat.
    Er riss sich aus Wiebkes Augen los und wandte sich an seine Kinder. »Ich verstehe euch ja, aber ihr müsst auch mich verstehen. Ich kenne Corinna Matteuer von früher.«
    »Ach, und das fällt dir erst jetzt ein?«, rief Felix empört.
    »Ich wusste nicht, dass sie es ist«, entgegnete Erik. »Damals hieß sie Corinna Pütz. Dass die Matteuer dieselbe Person ist, konnte ich nicht ahnen.«
    »Allora, Enrico!« Mamma Carlotta wollte, dass Schluss war mit den Vorwürfen und Rechtfertigungen. »Erzähl doch endlich, wie das damals war, dann wissen wir Bescheid.«
    »Ich war Anfang zwanzig«, antwortete Erik und sah wieder zu Wiebke, die ihn aufmerksam anblickte. »Corinna und Matilda waren etwas jünger.« Er machte eine Pause, um Wiebke noch einmal die Gelegenheit zu geben, sich zu verabschieden, weil das Gespräch nun sehr privat wurde. Aber sie sah ihn unverwandt an und schien nicht auf die Idee zu kommen, dass die Höflichkeit es gebot, die Familie allein zu lassen. Erst recht um diese Uhrzeit! Es ging auf Mitternacht zu, aber auch das brachte Wiebke Reimers nicht in Verlegenheit.
    Seufzend begann er zu erzählen, weil er wusste, dass die Kinder und seine Schwiegermutter keine Ruhe geben würden. »Corinna und Matilda haben früher oft auf Sylt Urlaub gemacht. Ihre Eltern waren wohlhabend, sie besaßen ein Feriendomizil in Westerland. Dasselbe Apartment, von dessen Balkon sich Matilda Pütz gestürzt hat.«
    »Hast du sie gleich erkannt?«, fragte Felix.
    Erik fuhr sich durch die Haare, dann glättete er ausgiebig seinen Schnauzer, ehe er antwortete: »Nein! Es ist ungefähr zwanzig Jahre her, dass ich sie zum letzten Mal gesehen habe.«
    »Wie habt ihr euch kennengelernt?«, fragte Mamma Carlotta gierig, die auf eine unglückliche Liebesgeschichte aus war.
    Aber Erik war entschlossen, ihr nichts davon zu erzählen, dass er einmal sehr in Corinna verliebt gewesen war. »Auf der Friedrichstraße«, antwortete er. »Ein Kind hatte Corinna mit seinem Fahrrad angefahren. Sie war leicht verletzt, und ich habe ihr geholfen. Zusammen mit Matilda habe ich sie nach Hause gebracht. Das war’s auch schon. Wir haben uns daraufhin öfter getroffen, haben was zusammen unternommen. Wir sind zum Ellenbogen gefahren, nach List, nach Kampen …«
    »Immer zu dritt?«, fragte Felix misstrauisch.
    »Meistens. Die Eltern nannten mich den Kurschatten der Zwillinge.« Erik erwähnte nicht, wie sehr er sich damals gewünscht hatte, Matilda würde ihn mit Corinna allein lassen. Obwohl die beiden sich ähnelten wie ein Ei dem anderen, war es Corinna gewesen, in die er sich verliebt hatte, nicht Matilda. Corinnas kühle Eleganz hatte ihn angezogen, Matilda hätte mit ihrer burschikosen Art nie mehr als eine Freundin für ihn sein können. Manchmal hatte es so ausgesehen, als wäre sie gern mehr für ihn gewesen, aber Erik hatte nur Augen für Corinna gehabt. Dass sie seine Gefühle nicht erwiderte, war sein erster großer Kummer gewesen. Sie hatte es ihm klipp und klar gesagt, als er einmal den Versuch gemacht hatte, sie zu küssen. Mehr als Freundschaft kam nicht infrage!
    »Und irgendwann kamen die Eltern nur noch allein nach Sylt, die Töchter machten eine Ausbildung, hatten kein Interesse mehr am Familienurlaub. Wir haben uns dann noch ein paarmal geschrieben, aber das war’s.« Er lächelte seine Kinder an. »Ein paar Jahre später habe ich Urlaub in Umbrien gemacht und eure Mutter kennengelernt. Danach habe ich an Corinna und Matilda nicht mehr gedacht. Und ich bin ihnen auch nie mehr auf Sylt begegnet.«
    »Kein Wunder«, sagte Carolin. »Die haben sich so wenig wie möglich auf der Straße blicken lassen. Und wenn, dann immer hinter riesigen Sonnenbrillen. In dem Eiscafé auf der Friedrichstraße hat man sich einmal sogar geweigert, sie zu bedienen.«
    »Megageil«, meinte Felix anerkennend. »So was nenne ich eine konsequente Haltung.«
    Erik tastete nach der Plastikkarte, die noch in seiner Hosentasche steckte. Besser, die Kinder erfuhren nichts davon, dass Matilda Pütz in ihrem Abschiedsbrief einen Mord gestanden hatte. Wenn auch Corinna nichts damit zu tun hatte, die beiden würden sie mit Matilda in einen Topf werfen und behaupten, dass eine Zwillingsschwester so verbrecherisch sein müsse wie die andere. Er war froh, dass er sich nicht entschlossen hatte, der Bürgerinitiative

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