Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
überzeugt, dass sie es schaffen konnte, Corinna Matteuer die Gastfreundschaft zu kündigen, falls diese nicht freiwillig gehen wollte.
Sie hörte Eriks Schritte auf der Treppe und machte sich sofort daran, die Eier aufzuschlagen, zu würzen, zu verrühren und den Schinken zu würfeln.
»Moin!« Erik sah sich in der Küche um, als wunderte er sich darüber, außer seiner Schwiegermutter niemanden anzutreffen. »Die Kinder schlafen noch?«
»Sie haben Herbstferien!«
»Und Corinna?« Er wunderte sich nicht, dass die Antwort ausblieb. »Ich konnte sie gestern Abend nicht allein lassen. Wieso versteht das hier keiner?«
»Sì, Enrico. Ich versteh das. Und die Kinder werden es auch verstehen, vorausgesetzt, sie zieht heute wieder aus.«
Erik seufzte, als fragte er sich, wie er das bewerkstelligen solle, wenn Corinna den Wunsch äußern sollte zu bleiben. Noch ehe er etwas sagen konnte, feuerte Mamma Carlotta eine Frage auf ihn ab, über deren plötzlichen Ausbruch sie selbst erstaunt war. »Warst du früher in Corinna Matteuer verliebt?«
Sie sah Erik an, dass er nach Ausflüchten suchte, dass er vielleicht sogar bereit war zu einer Lüge, aber dann ergab er sich dem unerwarteten Angriff und antwortete schlicht und einfach: »Ja.«
Mamma Carlotta griff sich ans Herz. »Dass nur die Kinder nichts davon erfahren!«
»Wenn du es ihnen nicht sagst …«
»Madonna! Mein Mund wird versiegelt sein. Ausgerechnet Signora Matteuer!«
»Es ist nichts aus uns geworden«, beruhigte Erik seine Schwiegermutter. »Also alles halb so wild.«
Mamma Carlotta goss die verrührten Eier in die Pfanne. »Ihr hattet nicht … wie sagt man?«
»Wir hatten nichts miteinander. Sie wollte mich nicht.«
Mamma Carlotta drehte sich ungläubig um. »Sie wollte dich nicht? Einen Mann wie dich?« So erleichtert sie einerseits war, so entrüstet war sie gleichzeitig. Einer Frau, die ihren Schwiegersohn zurückgewiesen hatte, konnte man nicht trauen!
Erik schien erleichtert zu sein, als er mit einem Blick aus dem Fenster feststellte, dass Sören sein Rennrad am Zaun festmachte. Bevor sein Assistent klingeln konnte, öffnete er ihm schon. »Gut, dass Sie so früh da sind!«
Sören kam mit von Wind und Kälte gerötetem Gesicht in die Küche und strahlte Mamma Carlotta an. »Moin, Signora! Wie das hier wieder duftet!«
»Buon giorno! Das Rührei ist gleich fertig. Un caffè?«
Sören nickte dankbar, dann ließ er sich neben seinem Chef am Frühstückstisch nieder. »Haben Sie inzwischen eine Ahnung, wieso die Schwester von der Matteuer den armen Ludo Thöneßen umgebracht hat?«
Mamma Carlotta fuhr herum und ließ den Schinken unbeachtet im heißen Fett brutzeln. »Come? Die Schwester, die sich umgebracht hat, ist eine … Mörderin?«
Sören nickte. »Sie hat ihre Schuld nicht mehr ausgehalten.«
Erik legte den Zeigefinger auf die Lippen. »Das bleibt aber unter uns. Ich möchte nicht, dass die Kinder davon erfahren.«
»Ludo Thöneßen? Gehört dem nicht das Haus, wo ihr neuerdings Sport treibt? Dieses komische …«
»Squash!«
Mamma Carlotta wollte sich an diesem Wort versuchen, merkte dann aber, dass sie sich damit überforderte. Sie beließ es bei den Silben, die ihr ganz von selbst über die Lippen rollten: »Dio mio!« Sie rührte unkonzentriert im Schinken herum, die Gedanken jagten durch ihren Kopf. War das ein weiterer Grund, Corinna so schnell wie möglich loszuwerden? Oder hatte sie nun doch Mitleid und ein Obdach verdient?
Dann fiel ihr ein, dass sie noch mehr über das Mordopfer wusste. »Ludo Thöneßen gehört zum Gemeinderat! Er ist der Einzige, der sich nicht von Matteuer-Immobilien bestechen ließ.«
»Das hast du alles schon erfahren, seit du Mitglied bei ›Verraten und verkauft‹ bist?«, fragte Erik anzüglich.
»Certo!« Sie bemerkte nicht, dass Erik auf ihre Neugier anspielte, und wollte ihm erzählen, was sie sonst noch alles wusste … aber eine Frage erschien ihr noch dringender: »Warum hat die Schwester von Corinna Matteuer so etwas Schreckliches getan?«
»Wir wissen es nicht«, antwortete Erik.
Sören griff sich an den Kopf, als hätte er die ganze Nacht über diesen Fall nachgegrübelt. »Vielleicht hat es was mit dem Bistro zu tun«, meinte er dann.
»Was für ein Bistro?«, fragte Mamma Carlotta und biss sich auf die Lippen, weil sie viel zu schnell, zu interessiert nachgefragt hatte. Sie wusste ja, wie Erik reagierte, wenn er merkte, dass seine Schwiegermutter an seiner Arbeit interessiert
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