Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Titel: Kurschatten: Ein Sylt-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
Vom Netzwerk:
beizutreten. Wenn auch seine Gefühle für Corinna überwunden waren, so wollte er doch nicht, dass sie eine Verbrecherin genannt wurde. Am nächsten Morgen würde er jede Menge Fingerspitzengefühl beweisen müssen, solange sie im Haus war. Andererseits musste er sich schleunigst darum kümmern, dass Ludos Leiche gefunden wurde. Hoffentlich fühlte sich Corinna, wenn sie ausgeschlafen hatte, so gut, dass sie in ihre eigenen vier Wände zurückkehren wollte. Oder ins Baubüro, wo sie nicht allein sein würde. Die Kinder hatten Ferien, und er mochte sich nicht vorstellen, wie sie mit Corinna umgehen würden, wenn sie am Frühstückstisch aufeinandertrafen.

W iderwillig stellte Mamma Carlotta ein sechstes Gedeck auf den Tisch. Sie gab ihren Enkeln uneingeschränkt recht. Es konnte nicht angehen, dass die Frau, gegen die sie protestierten und demonstrierten, in ihrem Hause beherbergt wurde. Mochte der Schicksalsschlag, der sie getroffen hatte, auch noch so hart sein! Am Ende würde ihr sogar wieder einfallen, die Schwiegermutter des Hauptkommissars im Baubüro gesehen zu haben …
    Corinna Matteuer hatte am Abend zuvor gebeugt, wie unter einer schweren Last, das Haus betreten. Aber der Blick, mit dem sie jeden bedacht hatte, war wach und aufmerksam gewesen. Mamma Carlotta war der Schreck in die Glieder gefahren, als Corinna Matteuer sie eingehender betrachtete als alle anderen.
    »Haben wir uns nicht heute Morgen im Baubüro gesehen?«, hatte sie gefragt.
    Aber Mamma Carlotta hatte diese Vermutung strikt zurückgewiesen, behauptet, nicht einmal zu wissen, wo das Baubüro sei, und vorsichtshalber noch in Richtung der Kinder ergänzt: »Was sollte ich schon bei Matteuer-Immobilien zu tun haben?«
    Carolin und Felix hatten sofort geglaubt, dass es sich um eine Verwechslung handeln musste, aber in Corinnas Blick war das Misstrauen wach geblieben, wenn sie auch gemurmelt hatte: »Dann war das wohl jemand, der Ihnen sehr ähnlich sieht.«
    Zum Glück war keine Debatte darüber entstanden, wo es auf Sylt einen Menschen gab, der einer italienischen Mamma ähnlich war. Corinna Matteuer machte einen derart angegriffenen Eindruck, dass in ihrer Gegenwart alle verstummten. Der Protest der Kinder war erst laut geworden, als sie sich ins Gästezimmer zurückgezogen hatte.
    Mamma Carlotta kochte sich einen doppelten Espresso, um ihre Denkleistung anzukurbeln. Was, wenn es Corinna Matteuer heute besser ginge und sie die Frage vom Vorabend wiederholte? Während sie ihren Kaffee schlürfte, kam Mamma Carlotta zu demselben Ergebnis wie ihre Enkel. Die Besitzerin von Matteuer-Immobilien musste das Haus verlassen. So schnell wie möglich!
    Auf den Gedanken, Corinna könnte Erik dazu überreden, ihr den alten Zeiten zuliebe länger die Gastfreundschaft anzubieten, brauchte sie einen weiteren Espresso, und auch diesmal einen doppelten. Andererseits … einer Frau, die gerade den wichtigsten Menschen verloren hatte, die Tür weisen? Für eine solche Herzlosigkeit würde man in ihrem Dorf an den Pranger gestellt! Aber war Corinna Matteuer nicht selber herzlos, wenn sie nur an ihren Profit dachte und dafür die Naturschätze von Sylt opferte? Mamma Carlotta nickte grimmig. Sie merkte, dass sie auf dem richtigen Weg war, sich selbst zu überzeugen. Corinna war eine Person, die das Unglück vieler Sylter nicht scherte, solange sie gut verdiente. Die Hoteliers, die ihr Auskommen nicht mehr fanden, weil Matteuer-Immobilien einen Hotelkomplex nach dem anderen errichtete, die Einheimischen, die auf ihrer eigenen Insel keinen Wohnraum mehr fanden, die kleinen Zimmervermieter, die ihre Gäste an die Hotels verloren, mit denen Investoren wie Corinna Matteuer die Insel zupflasterten. Mamma Carlotta erhob sich entschlossen und holte Eier und Schinken aus dem Kühlschrank, um das Rührei für Erik und Sören vorzubereiten. Sie hatte es geschafft! Nun war sie ganz sicher, dass Corinna Matteuer kein Mitleid verdiente, jedenfalls nicht so viel, dass man ihr im Hause Wolf Unterschlupf gewähren musste. Vielleicht hatte ihre Schwester auch so unter ihr gelitten wie die Sylter und sich Corinnas Egoismus durch Selbstmord entzogen? Dieser Gedanke, war er auch noch so unbegründet, brachte Mamma Carlotta ein weiteres Stück voran auf dem Weg der Ausflüchte, Scheingründe und Vorspiegelungen. Wer seelenruhig schlafen ging, nachdem die eigene Schwester sich in den Tod gestürzt hatte, der hatte in ihrer Familie nichts zu suchen! Mamma Carlotta hatte sich so weit

Weitere Kostenlose Bücher