Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
Carlotta. »Versehentlich zum Beispiel?«
Erik starrte erst seine Schwiegermutter, dann seinen Assistenten an. »Das ist es!« Er stand auf und tippte Sören auf die Schulter. »Das Brötchen können Sie im Auto essen.«
Sören biss noch einmal ab, dann stand er ebenfalls auf.
»Und was ist jetzt mit Corinna Matteuer?«, fragte Mamma Carlotta. » Du hast sie uns ins Haus geholt, Enrico!«
»Du unterhältst dich doch so gerne mit fremden Leuten«, gab Erik zurück. »Lass dir ihre Lebensgeschichte schildern, und erzähl ihr deine. Bis ihr damit fertig seid, sind wir zurück.«
Damit fiel die Tür ins Schloss, und Mamma Carlotta sank auf einen Stuhl. Von oben drangen Geräusche herab, Schritte, das Quietschen einer Türklinke, leises Räuspern. Mamma Carlotta wappnete sich …
S ie fuhren in die Käpt’n-Christiansen-Straße bis zum Friedhof der Heimatlosen. Die Dämmerung schien diesen Tag nicht loslassen zu wollen. Sie steckte noch immer in den tief hängenden dunklen Wolken, nur wenig Morgenlicht fiel auf die Insel herab. Heftige Windböen ließen die Fahnen knattern und beugten die Baumkronen. Manchmal sah es sogar so aus, als könnten die Möwen sich nicht im Wind halten und liefen Gefahr, zur Erde zu purzeln. Dann aber breiteten sie die Flügel noch weiter aus, nutzten den Wind, statt sich von ihm übertölpeln zu lassen, jagten mit ihm über den Himmel und schrien, als machte ihnen das mörderische Tempo Angst.
Erik bremste. Nicht nur, weil er gleich rechts abbiegen musste, sondern auch, weil er einen Blick auf die Holzkreuze werfen wollte, unter denen jeweils ein unbekannter Seemann ruhte, der an Land gespült worden war. »Hier war ich lange nicht mehr«, murmelte er. »Früher konnte ich den Spruch, der auf dem großen Gedenkstein steht, auswendig hersagen.«
Sören machte einen langen Hals, als sie weiterfuhren. »Ich glaube, auf dem Friedhof war ich noch nie.«
»Königin Elisabeth von Rumänien hat den Gedenkstein gestiftet«, erklärte Erik ihm. »Das war 1888, als sie einen Besuch auf Sylt machte. Deswegen heißt diese Straße auch Elisabethstraße.«
Sören tat so, als wäre er von dem Wissen seines Chefs schwer beeindruckt. »Ich kenne nur die Queen. Dass Rumänien auch eine Königin Elisabeth hatte, ist mir völlig neu.«
Erik bog in die Bötticherstraße ein, und kurz darauf standen sie vor dem neuen Hotel Seeräuber, einem großen Gebäude, viel zu groß für diese schmale Straße und viel höher und ausladender als die Häuser links und rechts daneben.
Erik betrachtete es kopfschüttelnd. »Wetten, dass die Bevölkerung bei Baubeginn keine Ahnung hatte, wie groß das Hotel werden sollte?«
Sören nickte. »Und die Frau, die dafür verantwortlich ist, liegt bei Ihnen im Bett.«
»Liegt im Bett meines Gästezimmers«, korrigierte Erik vorsichtshalber. »Und das nur, weil sie gestern einen schweren Schicksalsschlag erlitten hat.«
»Und Ihre Schwiegermutter? Was sagt die dazu?«
Erik wollte nicht weiter darüber reden und wechselte das Thema, während er ausstieg. »Ob Ludo Thöneßen versucht hat, über Matilda Pütz an das Bistro im Gesundheitshaus zu kommen?«
»Schon möglich«, entgegnete Sören. »Vielleicht hat er ihr Liebe vorgegaukelt, um das Bistro zu bekommen. Sie hat sich bei ihrer Schwester für ihn eingesetzt, aber dann …«
»… hat sie ihn durchschaut und sich gerächt.« Erik schloss das Auto ab, blieb aber noch ein paar Augenblicke nachdenklich neben der Fahrertür stehen. »Begeht man deswegen einen Mord?«
Sören hielt es für möglich. »Enttäuschte Liebe war schon immer ein starkes Motiv. Und betrogene Frauen sind zu allem fähig.«
Gemeinsam gingen sie auf die Glastür zu, über der das große »Parkhaus«-Zeichen angebracht war. Staunend schauten sie in die gläserne Übergabebox, die zu diesem Zeitpunkt leer war. Auch das Display an der Wand gegenüber der Eingangstür war dunkel.
Das änderte sich jedoch, als sich ein Wagen näherte. Die gläsernen Türen öffneten sich, der Wagen fuhr hinein, und auf dem Display erschien der Hinweis, das Auto korrekt auf einem bestimmten Punkt abzustellen. Der Fahrer kannte sich anscheinend aus und machte alles richtig. Nun erschien im Display der Hinweis, auszusteigen und das Gepäck mitzunehmen. Sodann sollte der Fahrer die Übergabebox verlassen, eine Parkkarte lösen und den Knopf betätigen, der das Auto ins Parkregal beförderte.
Kurz darauf öffnete sich der Boden der Übergabebox, das Auto wurde ins
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