Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
Tiefgeschoss gelassen, und ein leises, fernes Rumpeln ließ erahnen, dass es unter der Erde zu einem freien Platz bewegt wurde.
Erik und Sören betraten den Raum, in dem der Ticketautomat stand, und sahen sich um. »Kein Parkwächter?«, fragte Erik.
Sören schüttelte den Kopf. »Dieses Parksystem kommt ohne aus. Erheblich kostengünstiger in jeder Beziehung!«
Erik zog die weiße Plastikkarte aus der Tasche und zögerte. »Sollen wir’s versuchen?«
Sören nickte. »Entweder sie passt, oder sie passt nicht.«
Sie passte! Auf dem Display des Automaten erschien der Hinweis, dass eine Parkgebühr von achtundneunzig Euro fällig sei. »So viel?« Erik drückte auf »Abbrechen« und betätigte den Knopf, der im Notfall einen Hotelangestellten herbeirief. »Der Wagen steht also schon länger hier.«
Wenige Minuten später erschien ein junger Mann in roter Uniform. »Kann ich Ihnen helfen?«
Erik hielt ihm seinen Dienstausweis unter die Nase. Aber der Entscheidung, ob ein Hauptkommissar ein Auto aus dem Parksystem holen könne, ohne die Parkgebühr zu entrichten, fühlte er sich nicht gewachsen. »Ich hole meinen Chef.«
Erik hatte auf den Hoteldirektor gehofft, aber es war der Chefportier, der kurz darauf zu ihnen trat und sich zunächst ebenfalls zu keiner Entscheidung durchringen konnte. Erst als er hörte, dass in dem Wagen, den Erik ausparken wollte, eine Leiche vermutet wurde, verließ ihn seine steife Würde. »Um Gottes willen! Wenn das ein Hotelgast sieht!«
Erik sah auf der anderen Straßenseite zwei junge Leute, die neugierig herübersahen, und stellte ihm anheim, die Übergabebox mit einem Sichtschutz zu versehen. Wenig später erschienen zwei Pagen mit einem großen Tischtuch, das sie vor die gläserne Einfahrtstür hielten. In der Zwischenzeit hatte Erik die KTU informiert und mit deren Chef, Kommissar Vetterich, gesprochen. »Machen Sie sich schon mal bereit, Sie werden hier gleich gebraucht. Und bringen Sie einen guten Sichtschutz mit.«
»So was habe ich immer dabei«, knurrte Vetterich zurück, dann legte er ohne ein weiteres Wort auf, wie es seine Art war.
Mit zitternden Händen entwertete der Chefportier die Parkkarte, kurz darauf war ein Vibrieren in der Nähe der Zwischentür zu verspüren. Das Gerumpel wurde lauter, unterhalb des Bodens der Übergabebox entstand Bewegung. Kurz darauf öffnete sich der Boden, und ein Auto wurde hochgehoben.
»Das ist Ludos Auto, das kenne ich«, sagte Sören.
Die beiden Pagen, die zunächst neugierig in das Wageninnere geschaut hatten, drehten sich um und hätten vor Schreck beinahe das Tischtuch fallen lassen. Auf dem Beifahrersitz saß ein zusammengesunkener Mann, sein Kopf war auf die Brust gefallen, sodass sein Gesicht nicht zu sehen war.
I n Mamma Carlotta purzelten die Gefühle durcheinander, Widerwille, Missbilligung, Erbarmen und tiefes Mitleid! Am Ende siegte dann ihre Anteilnahme. Corinna Matteuer, die in der Küchentür stand, war zwar perfekt frisiert und geschminkt, sah aber so blass und mitgenommen aus, dass nichts mehr an die knallharte Geschäftsfrau erinnerte. Mamma Carlotta sah in diesem Augenblick nur die Zwillingsschwester, die ihre zweite Hälfte verloren hatte. Der Mensch, der sie ihr ganzes Leben begleitet hatte, war ihr auf grausame Weise genommen worden.
Carlotta sprang auf, zog einen Stuhl vom Tisch, bat Corinna Matteuer, Platz zu nehmen, und griff nach ihrem Arm, als sie zögerte. »Si accomodi! Setzen Sie sich! Möchten Sie einen Espresso? Ein Panino? Rührei, Schinken oder lieber ein paar Biscotti?«
Corinna antwortete nicht. »Wo ist Erik?«, fragte sie.
Mamma Carlotta beschloss, dass jemand, dem das Schicksal so übel mitgespielt hatte, auf jeden Fall einen Espresso brauchte. Sie schrie gegen das Mahlwerk der Espressomaschine an: »Er sucht den Mann, den Ihre Schwester umgebracht hat.«
Corinna saß da wie vom Donner gerührt. »Sie wissen davon?«
Mamma Carlotta hatte plötzlich das ungute Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben. »Rein zufällig«, beteuerte sie. »Eriks Assistent kam heute Morgen, und da haben die beiden darüber gesprochen.«
Corinnas Gesicht hatte sich rot gefärbt, nun wurde es wieder so blass wie vorher. »Ich möchte nicht, dass darüber geredet wird«, sagte sie mit scharfer Stimme.
Mamma Carlotta sah sie empört an. »Halten Sie mich für geschwätzig? Ich weiß, wie wichtig Diskretion für meinen Schwiegersohn ist. Wenn ich etwas Dienstliches höre, rede ich kein Wort darüber.
Weitere Kostenlose Bücher