Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Titel: Kurschatten: Ein Sylt-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
Vom Netzwerk:
lag, hasste er seinen Beruf.
    Erik drehte sich zurück und sah auf ihn herab. »Er muss seit etwa vier Tagen da unten gewesen sein. Kommt das hin?«
    Dr. Hillmot nickte. »Die Leichenstarre hat sich bereits wieder aufgelöst. In diesem Parkregal war es kalt, dann geht das nicht so schnell wie in warmer Umgebung.«
    »Ist er verdurstet? Oder gestorben, weil ihm das Insulin fehlte?«
    »Das werde ich feststellen, wenn ich ihn auf dem Tisch habe. Aber man darf wohl davon ausgehen, dass er am hypoglykämischen Schock gestorben ist. Das kann sehr schnell gehen.«
    Erik zog Sören aus der Übergabebox. »Warum hat er sich nicht gewehrt, als sie ihn an den Schaltknüppel fesselte?«
    »Wahrscheinlich war er außer Gefecht gesetzt. Durch K.-o.-Tropfen zum Beispiel.«
    »Schon möglich. Und dann hat sie ihn hierhergefahren, ist ausgestiegen, hat das Auto geparkt und …« Den Rest des Satzes verschluckte Erik. Der Gedanke, wie sich Ludo Thöneßen gefühlt haben musste, als er irgendwann aufwachte und feststellte, dass er der einsamste Mensch der Welt war, machte ihm zu schaffen.
    Sie wandten sich an den Chefportier, der neben dem Kassenautomaten stand und sie ängstlich ansah. »Lässt sich feststellen, wann der Wagen geparkt wurde?«
    »Selbstverständlich«, entgegnete der Mann. »Aber da muss ich den Chef fragen. Er ist außer Haus. In einer halben Stunde dürfte er zurück sein.«
    »Gut. Dann führen Sie uns bitte in die Tiefgarage.« Erik merkte, dass Sören ihn erstaunt ansah. »Ja, ich weiß, dass wir dort keine Spuren finden. Aber ich will wissen, wie so ein Parkhaus aussieht.«
    Der Chefportier holte einen großen Schlüssel, dann eilte er den beiden Kriminalbeamten voran. Durch mehrere Gänge liefen sie, passierten einige Türen, stiegen eine Treppe hinab und standen schließlich vor einer riesigen Brandschutztür. Der Chefportier schloss sie auf, hebelte mehrere schwere Riegel zur Seite und schob dann die Tür mühsam auf. Sie schauten in absolute Finsternis. Erst als der Portier einen Lichtschalter bediente, sahen sie den Raum, den im Normalfall kein Mensch betrat. Der Portier deutete auf die verschiedenen Paletten. »Wenn das Fahrzeug korrekt in der Einfahrtbox steht, wird es über diese Vertikalförderer und Querverschiebewagen eingelagert.«
    Erik nickte. »Und wenn der Fahrer sein Auto wiederhaben will …«
    »… dann steckt er die Parkkarte in den Automaten«, nahm der Chefportier ihm das Wort ab, »… zahlt die Parkgebühr, und das Auto wird ausgelagert und in die Box zurückgehoben. Die Auslagerungszeit beträgt nur etwa zwei Minuten.« Der Chefportier setzte ein konziliantes Lächeln auf. »Unsere Hotelgäste und Dauermieter zahlen natürlich eine geringere Parkgebühr.«
    »Lässt sich feststellen«, fragte Erik, »wo das Auto des Toten geparkt war?«
    Der Chefportier war sich nicht sicher. »Ich frage den Direktor. Vielleicht kann er es herausfinden.«
    Erik sah sich um. »Kein Notausgang?«
    Der Chefportier verneinte erstaunt. »Wozu? Hier kommt kein Mensch rein.« Und traurig ergänzte er: »Normalerweise …«
    Als sie aus der Tür der Tiefgarage traten, kam ihnen der Hoteldirektor aufgeregt entgegen. »Was ist hier passiert?«
    Die Frage war überflüssig, denn er hatte längst zu hören bekommen, dass im vollautomatischen Parksystem seines Hotels ein Mensch zu Tode gekommen war. Erik konnte sich also auf eine knappe Schilderung beschränken.
    »Schrecklich«, stöhnte der Hoteldirektor. »Der hätte noch wochenlang da unten im Auto sitzen können, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre.«
    Erik und Sören sahen sich an. Er hatte recht, nicht einmal Verwesungsgeruch wäre aus dieser finsteren Höhle nach draußen gedrungen.
    Schweigend gingen sie den langen Flur zurück und stiegen die Treppe hoch, ohne dass jemand ein Wort sagte. Das Tageslicht, das sie empfing, war für jeden von ihnen ein Geschenk. Sie waren in einem Grab gewesen und atmeten nun voller Glück die frische Luft ein, die durch den Hoteleingang wehte. Sie war wunderbar kühl und roch nach Meer. Es kam Erik vor, als wären sie noch einmal davongekommen, anders als Ludo Thöneßen!
    Dr. Hillmot trat auf sie zu. »Der Tote kann jetzt abtransportiert werden. Vetterich wird sich vorsichtshalber nach Spuren umsehen, aber einen Täter müssen Sie ja nicht suchen. Kommt selten vor, dass Sie die Mörderin vor der Leiche haben, oder?« Dr. Hillmot stieß ein Lachen aus, in das niemand einstimmte. Plötzlich jedoch wurde er wieder ernst.

Weitere Kostenlose Bücher