Kurschattenerbe
zum Schluss die Schwarzplentene, eine Buchweizentorte, in kleine handliche Würfel geschnitten und mit einem Klecks Schlagsahne verziert.
Es waren gute Bilder geworden. Die Internetnutzer liebten es, wenn schon nicht vor Ort anwesend, so wenigsten virtuell dabei zu sein. Und wann hatte man Gelegenheit, eine russische Millionärin aus nächster Nähe zu sehen? Da spielte es auch keine Rolle, dass sie eigentlich aus der Ukraine kam. Zumal sie mittlerweile ohnehin in Russland lebte, wie er aus seinen Recherchen wusste.
Was wohl die erfolgreiche Geschäftsfrau dazu bewogen hatte, das Symposium über Oswald von Wolkenstein zu sponsern? In der Presseerklärung hatte es geheißen, dass sie ein Germanistikstudium absolviert und im Zuge dessen Arthur Kammelbach kennengelernt habe. Aus Respekt vor seiner wissenschaftlichen Arbeit habe sie sich dazu entschlossen, das Symposium mit einer großzügigen Summe zu unterstützen. Darüber hinaus würde sie beim Wettbewerb unter den Musikensembles, der den krönenden Abschluss des Kongresses bildete, Jurorin sein.
Das klang ja alles durchaus plausibel. Doch als alter Hase im Geschäft – immerhin war er seit fast 20 Jahren Journalist – wusste er, dass meist mehr dahintersteckte. Germanistikstudium hin oder her – Kateryna musste eine hartgesottene Geschäftsfrau sein, sonst hätte sie es nicht so weit gebracht. Und Geschäftsleute taten in der Regel nie etwas aus reinem Altruismus. Immer hatten sie Hintergedanken. Nun, er würde ihr morgen bei der Pressekonferenz auf den Zahn fühlen.
Beppo schaltete die Kamera aus und verstaute sie in seiner Fototasche. Für heute war sein Job erledigt. Die zweite Hälfte des Konzerts würde für ihn nichts Neues bringen. Da konnte er sich ebenso gut gleich auf die Socken machen.
»Haben Sie alles im Kasten?« Vor Beppo stand eine Frau. Der Rock ihres Sommerkleides umspielte sexy Beine. Er schätzte sie auf Anfang 40 oder etwas darüber. Er hätte nicht sagen können, was das Besondere an ihr war, aber eines stand fest: Sie hatte das gewisse Etwas.
»Jenny Sommer, ich bin für die PR des Symposiums verantwortlich.« Mit diesen Worten streckte sie ihm die Hand entgegen.
»Angenehm, Beppo Pircher vom Meraner.« Er schüttelte ihr die Hand.
»Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein?«
Beppo überlegte. Sollte er sich auf ein Gespräch mit der Frau einlassen und sie über Kateryna Maximowas Motive für ihr Engagement befragen? Er entschied sich dagegen. Von der PR-Beauftragten würde er nur die offizielle Version zu hören bekommen.
»Danke, ich bin versorgt.« Am besten, er beendete das Gespräch.
»Wir sehen uns morgen auf der Pressekonferenz. Sie haben sich ja angemeldet.« Natürlich, das wusste sie. Das gehörte zu ihrem Job.
»Also dann …« Sie machte Anstalten, sich zu verabschieden. Erst jetzt bemerkte er, dass sie in ihrem dünnen Kleid fror. Es war ja auch ein Wahnsinn, um die Jahreszeit so leicht bekleidet herumzulaufen. Sicher, tagsüber war es Ende Mai oft schwül. Die Abende und Nächte wurden auf 600 Meter über dem Meeresspiegel hingegen empfindlich kühl. Vielleicht sollte er die Gelegenheit beim Schopf packen und ihr anbieten, mit ihm zurückzufahren. Das bedeutete, dass er das Ende des Konzertes abwarten musste. Er würde es in Kauf nehmen.
»Wie kommen Sie nach dem Konzert zurück ins Hotel?«
Sie überlegte kurz, bevor sie antwortete. »Her bin ich zu Fuß gegangen. Für den Rückweg werde ich sehen, dass ich Platz in einem der Shuttlebusse finde.« Sie kreuzte die Arme vor der Brust und rieb sich die nackten Schultern, auf denen sich Gänsehaut ausbreitete. »Oder haben Sie vielleicht eine bessere Idee?«
»Sie sollten jedenfalls nicht allein gehen. Erst neulich ist hier …«
Bevor er zu Ende sprechen konnte, trat ein Mann zu ihnen. Er war etwa Ende 20, groß und schlaksig. Beppo hatte den Eindruck, der Mann würde ihn durch die dicken Gläser seiner Hornbrille mustern. Er zog seine Jacke aus und legte sie der Frau um die Schultern. »Brauchen Sie sich keine Sorgen machen. Begleit ich die Frau Doktor zurück ins Hotel.«
Aha, sie war vergeben. Zumindest gab es da jemanden, der die Beschützerrolle für sich beanspruchte. Es musste ein Südtiroler sein, wie Beppo an dem leicht kehligen Akzent erkannte.
»Gute Nacht, Herr Pircher. Wir sehen uns morgen im Kurhaus.« Wieder streckte sie ihm die Hand entgegen. Ihr Begleiter nickte knapp, bevor beide zurück zum Konzertsaal gingen.
Beppo sah dem Paar
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