Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurschattenerbe

Kurschattenerbe

Titel: Kurschattenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Neureiter
Vom Netzwerk:
natürlich.
    Kein Zweifel, sie konnte sich sehen lassen. Das fand auch Tony. Sie merkte genau, wie stolz er war, wenn er sie ausführte und alle Blicke auf sie gerichtet waren. Zusammen ergaben sie ein äußerst attraktives Paar. Sie, die blonde, kurvenreiche Frau, und er, der gutaussehende, sportlich durchtrainierte Mann. Was machte es da aus, dass er ein paar Jahre jünger war? Acht Jahre, um genau zu sein. Dafür hatten sie beinahe die gleiche Größe. Tony überragte sie nur um wenige Zentimeter. So glich sich alles wieder aus.
    Kateryna lächelte sich im Spiegel zu. Nebenan hörte sie wieder ein Poltern. Rasch verknotete sie den Gürtel und öffnete die Verbindungstür. Saschas Juniorsuite lag direkt neben ihren Räumlichkeiten. Wenn nicht gerade Tony bei ihr war, blieb die Türe unversperrt.
    Kateryna betrat das Zimmer ihrer Tochter. Es war leer. Ein Blick auf die Balkontür verriet ihr die Ursache des Geräusches: Die Flügel waren angelehnt und schlugen gegeneinander.
    Nachdem sie die Balkontür geschlossen hatte, kehrte Kateryna in ihre eigene Suite zurück. Wenn sie schon aufgestanden war, konnte sie auch damit beginnen, sich für den Abend zurechtzumachen. Sie und Tony würden in einem Schlossrestaurant in Merans Nobelviertel Obermais speisen. Das war das Mindeste, das sie ihm für den versäumten Nachmittag bieten konnte. Bis zu Beginn der Verabredung war zwar genug Zeit. Da sie nichts weiter zu tun hatte, konnte sie genauso gut mit den Vorbereitungen anfangen.
    Kateryna nahm vor ihrer Schminkkommode Platz. Ihr fiel auf, dass etwas fehlte: das Medaillon ihrer Urgroßmutter. Sie war sich sicher, es gestern nach dem Konzert auf die weißlackierte Platte des Tischchens gelegt zu haben. Heute Morgen hatte sie sich für ein anderes Schmuckstück entschieden. Das Medaillon hätte also da sein müssen, wo sie es gestern Abend deponiert hatte. Ob die Zimmerfrau   es weggeräumt hatte? Vielleicht war es ja beim Saubermachen zu Boden gefallen?
    Kateryna ging in die Knie. Auf allen vieren suchte sie das edle Holzparkett ab. Doch weder dort noch auf dem zweifellos echten Perserteppich wurde sie fündig. Wo konnte der Schmuck nur hingekommen sein?
    Sie erhob sich wieder und sah sich in ihrer Suite um. Das Medaillon musste hier irgendwo sein – oder es war gestohlen worden. Sie würde die Hotelleitung benachrichtigen. Was, wenn sie sich irrte?
    Kateryna hasste es, unnötiges Aufhebens zu machen. Lieber wollte sie weiter nach der Halskette suchen.

SIEBEN
    »Da drüben, das ist St. Michaela.« Lenz zeigte auf einen Hang gegenüber der Weggabelung, an der er und Jenny standen. Sie befanden sich unterhalb von Schloss Tirol. Links hinauf führte der steile Pfad zur Westseite der Burg – von Dorf Tirol aus gesehen die Rückfront des Gebäudes. Rechts ging es laut Wegweiser nach St. Michaela, einer kleinen Ortschaft am Fuße der Hochmuts.
    Obwohl der Name der Haushälterin, die die Leiche gefunden hatte, in dem Zeitungsartikel nicht genannt wurde und Lenz keine Ahnung hatte, wie die Frau hieß, war er überzeugt, sie ausfindig machen zu können. »Wird sie wohl in   St. Michaela wohnen – und das ist ein Kaff. Da gibt es nur ein paar Häuser. Fragen wir uns einfach durch«, hatte er gemeint.
    Jenny war skeptisch geblieben. Er erwartete hoffentlich nicht, dass sie wie die Hausierer von Tür zu Tür gingen. Dazu hatte Jenny nun wirklich keine Lust. Außerdem mussten sie erst einmal nach St. Michaela gelangen – und Jenny hatte keine Ahnung, wie man dorthin kam.
    »Ist gleich da vorn die Station vom Sessellift. Fährt der auf den Segenbühel. Dort gibt es einen Gästebus nach Dorf Tirol, von dort gehen wir zu Fuß.«
    Jenny hatte gestöhnt. Und die Idee mit dem Sessellift gefiel ihr gar nicht. Lenz müsste sich daran erinnern, dass sie Höhenangst hatte. Das schien auch der Fall zu sein, denn er machte einen Rückzieher: »Ist vielleicht doch keine gute Idee. Können wir auch den Bus nach Gratsch nehmen. Das liegt auf der anderen Seite vom Schloss. Von dort geht es zu Fuß hinauf.«
    Jenny fasste sich ein Herz. »Ist o. k. Wir nehmen den Sessellift.«
    Sie bereute die Fahrt nicht. Drei, vier Meter über dem Boden zu schweben, machte ihr nichts aus. Die Panikattacken kamen offenbar nur, wenn sie sich in luftigeren Höhen befand. Das hatte sie bei ihrer ersten Begegnung mit Lenz erkennen müssen. Sie hatten die Seilbahn auf den Bozener Hausberg, den Ritten, genommen. Die ganze Fahrt über hatte sie vor lauter Angst

Weitere Kostenlose Bücher