Kurschattenerbe
gewesen sein.«
Comploi blätterte in einem kleinen Heft – dem Fahrplan von Meran und Umgebung. »Um die Zeit fahren keine Busse mehr. Wie wollten Sie denn von Dorf Tirol nach Meran kommen?«
Lenz fragte sich, worauf der Polizist hinauswollte. Es war doch seine Sache, wie er nach Meran zurückkam.
Comploi holte zu einer Erklärung aus: »Herr Hofer, es ist eine Gei…« Er unterbrach sich, schaute auf seine Notizen und nahm den Faden wieder auf. »Es ist eine Vielle gestohlen worden, ein wertvolles altes Instrument.«
»Die Geige war doch kein Original«, erwiderte Lenz.
Comploi beugte sich über den Konferenztisch: »Sie kennen sich mit alten Instrumenten aus?«
Lenz lüftete seine Brille und nahm sie ab. Langsam wurde er nervös. »Mein ich, lassen die Musiker die Instrumente in Werkstätten nachbauen. Gibt es dafür Spezialisten.« Mein Gott, er war unwillkürlich wieder in seinen Word-Rap verfallen. Hoffentlich glaubte der Inspektor nicht, er wolle sich über ihn lustig machen. Rasch fügte er hinzu: »Die Vielle war im Mittelalter populär. Ich weiß nicht, ob Originale aus der Zeit erhalten sind. Wenn, wohl nur in einem Museum.« Lenz dachte nach und ergänzte: »So wie die Malerei aus der Zeit. Die findet man ja auch nur mehr in den Museen.«
»Oder in Kirchen«, sagte der Inspektor.
Da musste Lenz ihm recht geben. Aber was hatte Violas Geige mit einer Kirche zu tun – es sei denn, Comploi spielte auf die Kapelle an, in der die Musiker ihre Instrumente abgestellt hatten? Lenz wurde nicht schlau aus dem Ermittlungsbeamten. Der stellte die nächste Frage: »Dann sind sie mit Frau …« Er schaute wieder auf seine Notizen. »… mit der Dotoressa Sommer nach Tirolo gegangen.«
Nach Tirolo? Wieso nach Tirolo? Lenz besann sich, es fiel ihm wieder ein. Auf Italienisch hieß Dorf Tirol nur Tirolo. So war das also gemeint. Er verneinte: »Jenny, ich meine, Frau Sommer, ist mit Kateryna Maximowa, unserer Sponsorin, im Taxi zurückgefahren.«
»Hatten Sie Streit?«
Lenz hatte das Gefühl, der Beamte wolle ihn in die Enge treiben. Er beschloss den Spieß umzudrehen. »Wer, Jenny und ich?«
Comploi nickte und Lenz fuhr fort: »Frau Maximowa wollte mit Frau Sommer etwas besprechen und hat sie gebeten, bei ihr einzusteigen.«
»Sie wurden nicht eingeladen?«
»Wie gesagt, es handelte sich um eine dienstliche Besprechung.« Lenz zuckte mit den Schultern. Sollte ihn der Beamte doch gern haben.
»Sie sind unmittelbar darauf gegangen?«
Lenz wollte bejahen, da fiel ihm Viola ein. »Nicht sofort. Viola Vielle ist in dem Moment herausgekommen und wollte mit mir ins Dorf gehen.«
In Complois Augen blitzte etwas auf. »Sie hatten also doch weibliche Begleitung?«
Lenz, der sich bis dahin in seinen Sessel zurückgelehnt hatte, setzte sich kerzengerade auf. Irgendwie wurde es ungemütlich. »Nein. Wir wollten losgehen. In dem Moment ist Tobias Winkler herausgekommen und hat Viola mitgeteilt, dass er ihre Geige nicht finden kann.«
»Und weiter?«
»Sie ist mit ihm wieder in die Burg zurückgegangen.«
Comploi blätterte in seinem Notizblock. »Frau Vielle gibt etwas anderes an. Sie sagt, Sie hätten mit Herrn Winkler gesprochen.«
Lenz rief sich die Szene ins Gedächtnis. »Ja, wir haben ein paar Worte gewechselt. Anschließend ist er ihr gefolgt und ich bin gegangen.«
»Und dafür gibt es keine Zeugen?« Comploi ließ nicht locker.
Lenz setzte seine Brille wieder auf, die er bisher in der Hand gehalten hatte. »Keine Zeugen«, bestätigte er.
Comploi legte den Notizblock auf den Tisch. Lenz glaubte, die Befragung sei beendet. Der Inspektor fuhr jedoch fort: »Ist Ihnen vielleicht sonst etwas aufgefallen?«
Lenz überlegte: Jenny war zu Kateryna in den Wagen gestiegen. Viola hatte sich bei ihm eingehängt. Tobias war zu ihnen getreten. Nein, Lenz besann sich. Der Wagen war schon unterwegs. Tobias war erst danach aufgetaucht. Lenz hatte Jenny aus dem Rückfenster blicken sehen. Vorher war etwas gewesen. Es fiel ihm wieder ein.
»Bevor das Taxi von Kateryna Maximowa abgefahren ist, ist jemand ausgestiegen.«
»Frau Sommer?«
»Nein. Es war Sascha, Katerynas Tochter.«
ACHT
Auf stürmischer See
zerschellte mein Schiff.
Doch ich ergriff
ein Fass mit gutem Malvasier.
Das brachte mich ans Ufer.
Überlebt hätt’ ich sonst nie.
Nach Oswald von Wolkenstein ›Wieviel ich sing’ und dichte‹
Jenny blickte durch die Windschutzscheibe und beobachtete die Scheibenwischer, die sich mit einem leisen
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