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Kurschattenerbe

Kurschattenerbe

Titel: Kurschattenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Neureiter
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Quietschen hin und her bewegten. Der Regen war ganz plötzlich gekommen. Den ganzen Tag über hatte die Sonne geschienen. Doch kaum, dass sie aus Marthas Haus getreten waren, hatten dunkle Wolken die Berggipfel eingehüllt. Gleich darauf fielen die ersten Tropfen. Rasch waren sie und Beppo ins Auto gestiegen.
    Anstatt von St. Michaela nach Dorf Tirol zurückzufahren, hatte Beppo die Straße nach Gratsch genommen. »Von dort kommen wir über eine Nebenstraße ins Zentrum. Das geht am Schnellsten«, hatte Beppo ihr erklärt und auf die Digitalanzeige des Armaturenbrettes gewiesen: 17:00 Uhr. Beginn der Rushhour.
    Jenny war einverstanden gewesen. Ihr war alles recht, was sie so rasch wie möglich wieder nach Meran zurückbrachte. Sie musste unbedingt mit Lenz reden. Oder vielleicht doch besser gleich mit der Polizei …
    So rasch würde sie keine Gelegenheit haben. Sie standen im Stau. Gleich nach ihrer Abfahrt hatte Beppos Chef angerufen: Auf der Goethe-Strasse, einer der Hauptverkehrsadern im Westen der Stadt, hatte es einen Unfall gegeben. »Ich muss da auf einen Sprung vorbei. Vielleicht schaffe ich es, einen Bericht in die morgige Ausgabe zu bringen«, hatte Beppo gesagt und war, anstatt Richtung Redaktion abzubiegen, die zur Unfallstelle gefahren.
    Die hatten sie bisher nicht erreicht. Eine Fahrtrichtung war gesperrt, entsprechend zähflüssig bewegte sich der Verkehr.
    »Die Martha tut mir leid«, sagte Beppo.
    Jenny antwortete nicht. Sie fragte sich, ob die Verzweiflung der Frau echt gewesen war oder sie ihnen nur etwas vorgespielt hatte.
    »Das mit dem Bild ist eine wilde G’schicht«, fuhr Beppo fort.
    Jenny betrachtete ihn von der Seite. Heute trug er ein sonnengelbes Poloshirt. Kräftige Farben standen ihm gut.
    Er musste bemerkt haben, dass sie ihn musterte. Denn er drehte sich zu ihr und lächelte sie an.
    Schöne Zähne, dachte Jenny, während die Kolonne sich in Bewegung setzte. Sie fuhren ein paar Meter weiter und kamen wieder zum Stillstand.
    »Was sagt die Frau Doktor? Ist es denkbar, dass der Mitterer ein Gemälde von Oswald von Wolkenstein in seinem Atelier hatte?«
    Jenny durchforstete ihr Gedächtnis nach den Informationen, die sie sich während der Vorbereitungen für die Pressekonferenz angeeignet hatte. »Oswald war zwischen 1403 und 1404 nachweislich nicht in Tirol gewesen. Damals könnte er Schiffbruch erlitten haben«, sagte sie schließlich.
    Beppo runzelte die Stirn. »Du meinst, das Motiv, das ihn auf einem Fass im Meer zeigt?«
    »Genau darum geht es. Oswald hat in zwei von seinen Liedern über den Schiffbruch und über seine Rettung auf einem Fass berichtet. Einmal spricht er ganz konkret von einem Fass Malvasier.«
    Beppo grinste. »Nicht von einem Burggräfler?« Er spielte auf die Bezeichnung an, unter der der Wein aus der Region vermarktet wurde.
    Jenny lächelte. »Den gab’s damals nicht. Aber«, sie wurde wieder ernst, »das Bild, das Oswald auf dem Fass zeigt, hat tatsächlich existiert. Dafür gibt es einen Zeugen.«
    »Wen, die Martha?«
    Jenny musste grinsen. Beppo schien da etwas durcheinanderzubringen. Das war kein Wunder, wenn sie daran dachte, wie kompliziert die Sache war.
    »Es geht wieder weiter«, unterbrach Beppo ihre Gedanken. »Da vorn ist die Unfallstelle. Ich fahr an die Seite und schau mir das an. Kann ich dich so lange im Wagen lassen?«
    Jenny versicherte ihm, dass das in Ordnung sei. Sie hatte ohnehin keine Wahl. Draußen nieselte es unaufhörlich.
    Nachdem Beppo seine Kamera umgehängt hatte und ausgestiegen war, rief sie sich die Ereignisse in St. Michaela in Erinnerung: Zunächst hatte sie Beppo von Arthurs merkwürdigem Verschwinden und ihrer Vermutung, dass es einen Zusammenhang mit dem Mord an dem Maler gäbe, erzählt. Beppos journalistischer Spürsinn war sofort geweckt gewesen. Auch er habe vorgehabt, der Haushälterin des Opfers ein paar Fragen zu stellen.
    Während Martha ihnen die Marend 1 auftischte, fragte er sie, ob sie Arthur, mit dem sie auf der Burg für das Foto posiert hatte, zuvor bei Peter Mitterer gesehen habe. Martha verneinte.
    Jenny zeigte ihr den Artikel über den Mord und beharrte darauf, dass es einen Zusammenhang mit Arthurs Verschwinden geben müsse. Ob Martha sich vielleicht an irgendetwas erinnern könne? Doch die Frau schüttelte nur den Kopf und wirkte immer unglücklicher.
    Plötzlich tauchte die Kleine mit einer Zeichnung auf. Mit einem Blick erfasste Jenny, was auf dem Blatt zu sehen war: Es zeigte Oswald auf dem

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