Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurschattenerbe

Kurschattenerbe

Titel: Kurschattenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Neureiter
Vom Netzwerk:
unbemerkt zu verlassen, und war in ihr Zimmer getaumelt. Neben ihrer Wut trug auch ihr mittlerweile wieder knurrender Magen zu einem gewissen Schwindelgefühl bei. Um im Hotel zu Abend zu essen, war es zu spät. Die Küche hatte längst geschlossen. Sie verspürte nicht die geringste Lust, sich ins Zentrum von Bozen zu begeben, wo ihr mannigfache Möglichkeiten, sich kulinarisch zu versorgen, offen standen. Also ging sie hungrig zu Bett und tröstete sich mit der Aussicht auf ein üppiges Frühstück.
    Seit sie heute Morgen erwacht und ihr alles wieder eingefallen war, hatte sie keinen Appetit mehr. Lustlos kaute sie an einem Brioche herum, bevor sie es nach wenigen Bissen zurück auf den Teller legte.
    Sie zückte ihr Handy und sah auf das Display: Kurz vor acht Uhr morgens. Ob sie es bereits wagen konnte, Kateryna aufzusuchen?
    Die Sponsorin hatte ersucht, bei der Pressekonferenz, die für zehn Uhr angesetzt war, erst kurz vor Beginn eintreffen zu dürfen.
    »Ich brauche meinen Schönheitsschlaf«, hatte sie zu Jenny gesagt und ihr vertraulich zugezwinkert.
    Nun, heute würde Kateryna eben etwas mehr Make-up auflegen müssen. Jenny war fest entschlossen, die Nachtruhe der Ukrainerin abzukürzen.
    *
    Kommissar Aldo Klotz nestelte wieder an seinen Hemdzipfeln, die ihm aus dem Hosenbund gerutscht waren. Dabei erhaschte er einen Blick auf seine Silhouette. Der Spiegel der Café-Bar, in der er seit seiner Scheidung seinen Morgenkaffee einzunehmen pflegte, warf kein schmeichelhaftes Bild zurück: Die Haare hingen Aldo viel zu lang in die Stirn, während sie an der Seite und auf der Schädeldecke spärlich gesät waren. Bartstoppeln konnte er keine sehen. Dafür zierte ein Pflaster jene Stelle am Kinn, an der er sich heute beim Rasieren geschnitten hatte. Am wenigsten erfreulich an seinem Anblick war allerdings der Bauch, der sich unübersehbar über seinem Hosenbund wölbte. Kein Wunder, dass ihm das zu knapp gewordene Hemd dauernd herausrutschte. Ein Hemdknopf war aufgeplatzt und ließ schwammige, weiße Haut hervorblitzen.
    Vergeblich bemühte sich Aldo Klotz, den Hemdknopf wieder zu schließen. Da war nichts zu machen. Er war einfach zu sehr auseinandergegangen. Schlank war er ja nie gewesen, hatte immer zur Stämmigkeit geneigt. Mit einigermaßen diszipliniertem Essverhalten und regelmäßigem Sport hatte er es geschafft, eine passable Erscheinung abzugeben – bis vor Kurzem jedenfalls.
    Bevor er damit angefangen hatte, seine Ernährungsgewohnheiten komplett umzustellen. Hatte sein Frühstück früher aus Müsli und Obst bestanden, das ihm seine Exfrau zubereitet hatte, so nahm er, seit er alleine lebte, am Morgen nur mehr einen doppelten Espresso zu sich. Irgendwann am Mittag, wenn der Hunger ihn so heimtückisch überfiel wie ein Profikiller sein Opfer, stopfte er sich ein Panino oder einen Hamburger hinein, je nachdem, wessen er gerade habhaft wurde.
    Am Abend wurde – wenn sein Dienst es zuließ – ordentlich aufgekocht: Entweder bei seiner Mutter oder einer anderen wohlmeinenden weiblichen Verwandten, die es sich nicht nehmen ließ, den ›frischgebackenen Junggesellen‹ zu verköstigen. Nach diesen Vier-Gänge-Menüs, die meist von Wein oder Bier begleitet wurden, war er zu keiner körperlichen Betätigung mehr fähig, außer sich in seine Wohnung und sein Bett zu schleppen, wo er in einen unruhigen Schlaf verfiel.
    »Ancora un doppio, Commissario?«, fragte der Kellner.
    Aldo Klotz überlegte. Wenn er den zweiten doppelten Espresso zu sich nahm, würde das Koffein zwar für eine Weile seinen Hunger betäuben. Spätestens nach ein paar Stunden würde sich sein Magen jedoch melden und der Teufelskreis begann von vorn. Er sollte damit anfangen, wieder ordentlich zu frühstücken. Damit würde er seine Gewichtsprobleme in den Griff bekommen.
    »Geben Sie mir lieber einen Orangensaft. Dazu ein Cornetto 1 und ein Joghurt.« Aldo Klotz war mit sich zufrieden. Ein Anfang war gemacht. Er würde Stück für Stück zu seinem früheren Ernährungsprogramm zurückkehren und wieder mit dem Sport anfangen. Die Bertagnoll hätte keinen Grund mehr, ihn anzusehen, als wäre er ein widerwärtiges Insekt.
    Aldo nahm einen Schluck von dem Orangensaft, den der Barmann vor ihn hingestellt hatte. Anschließend tunkte er sein Hörnchen in das Joghurt und nahm einen Bissen. Na ja, gesund war das vielleicht, aber – wenn er ehrlich war – schmeckte es ihm nicht im Geringsten. Dennoch war er entschlossen, der Vizequästorin

Weitere Kostenlose Bücher