Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurschattenerbe

Kurschattenerbe

Titel: Kurschattenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Neureiter
Vom Netzwerk:
wollte ihren Ohren kaum trauen. Was redete der Mann da? »Kateryna Maximowa. Was hat die damit zu tun?«
    Ein kaum verhohlenes Grinsen zeigte sich auf Klotz’ Gesicht. »Doch nicht die Russin. Ich red von der Martha Tappeiner, der Haushälterin.« Klotz zeigte auf die unscheinbare Frau in der Leinenkutte, die mit ihrer Tochter am Bildrand stand. Franca zog die Augenbrauen zusammen und las die Bildunterschrift: ›Martha Tappeiner mit Tochter Kristl, Buschenschank-Wirtin aus St. Michaela‹.
    Was Franca aufmerken ließ, war der Hinweis auf St. Michaela. Sie vermeinte sich daran zu erinnern, dass die Haushälterin des Opfers einen Buschenschank betrieb. Sollten etwa die Haushälterin, die Buschenschank-Wirtin und die Frau, die auf der Burg für das Catering gesorgt hatte, ein und dieselbe Person sein?
    »Die Martha Tappeiner erhält nur eine kleine Witwenpension. Vom Buschenschank kann sie auch nicht leben. Beim Peter Mitterer hat sie ihr Einkommen aufgebessert. Der wiederum hat ihr den Auftrag auf der Burg verschafft«, sagte Klotz, »bevor er ermordet wurde, natürlich.«
    Natürlich, das war ja wohl klar. Und sie, Franca, war natürlich auf das scheinheilige Getue des Fotografen – oder Chefreporters, wie Klotz ihn bezeichnet hatte – hereingefallen und hatte sich nichtsahnend dazu überreden lassen, mit einer Zeugin, nach neuesten Erkenntnissen sogar einer Verdächtigen, zu posieren.
    Von wegen Lokalkolorit! Dieser Pircher – oder wie er hieß – hatte es offenbar von Anfang an darauf abgesehen, sie zu kompromittieren. Dem würde sie ein Ende setzen. Der Journalist hatte der Polizei wichtige Informationen vorenthalten. Behinderung der polizeilichen Ermittlungen war das Mindeste, womit sie ihn drankriegen konnte.
    »Klotz«, Franca verzichtete auf jegliche förmliche Anrede ihres Untergebenen, »Sie fahren sofort zu dieser Martha Tappeiner und nehmen sie in die Mangel. Wenn sie an ihrer Behauptung, es sei nichts gestohlen worden, festhält, führen Sie sie ab. Wenn es sein muss, in Handschellen.«
    *
    Jenny und Kateryna standen vor einer eleganten Jugendstilvilla in Obermais. Das großzügige Gebäude mit seinen romantischen Erkern und gestreiften Markisen war von einer Gartenanlage umgeben und unterschied sich kaum von den Nachbarhäusern. Bei genauerem Hinsehen konnte sie hinter den hohen Laub- und Nadelbäumen Zwiebeltürme sehen.
    Dass Jenny überhaupt hier stand, war Kateryna zuzuschreiben. »Kommen Sie, ich zeige Ihnen etwas. Das wird viel erklären«, hatte sie gesagt, nachdem sie sich wieder gefangen hatte. Auf ihren Plateaupumps war sie aus dem Hotel gestöckelt. Trotz ihres für einen Spaziergang vollkommen ungeeigneten Schuhwerks hatte Kateryna ein solches Tempo vorgelegt, dass Jenny Mühe hatte, ihr zu folgen.
    Sie hatten das Hotel durch den Ausgang zum Park verlassen, hatten diesen durchquert und waren durch eine kleine, versteckte Pforte in eine Nebenstraße gelangt. Von dort hatte Kateryna sie zielstrebig durch Obermais gelotst. Ein paarmal waren sie abgebogen, Jenny hätte nicht mehr zu sagen vermocht, wo genau sie sich befand. Die Ukrainerin dagegen machte ganz den Eindruck, als wäre sie nicht zum ersten Mal in dieser Gegend. Ihre Redseligkeit, die sie im Hotel an den Tag gelegt hatte, war verflogen. Der Marsch war schweigend verlaufen.
    Was hatte die Frau vor? Jenny rief sich das Gespräch in Erinnerung. Es hatte Kateryna aufgewühlt. Dennoch konnte Jenny sich den Wandel nicht erklären. Plötzlich wurde sie sich bewusst, wie einsam es hier war. Sie waren keine zehn Minuten gegangen, hatten aber das quirlige Treiben von Merans Zentrum scheinbar um Lichtjahre hinter sich gelassen. Bisher waren sie auf ihrem Weg kaum einer Menschenseele begegnet. Auch vor der Villa, vor der sie standen, wirkte alles wie ausgestorben. Kateryna würde doch wohl nicht am helllichten Tag …
    ›Russisch-orthodoxe Kirche. Geöffnet jeden ersten und dritten Samstag im Monat. Oder nach Vereinbarung‹, las Jenny in dem kleinen Schaukasten, der sich vor dem geöffneten Eingangstor des Anwesens befand. Die Sponsorin hatte offenbar eine Vereinbarung, denn sie ging den Schotterweg entlang auf das Haus zu.
    Jenny folgte ihr verwirrt. Fragen bestürmten sie und lieferten sich in ihrem Kopf ein wildes Scharmützel. Was hatte sie hier verloren? Wieso führte Kateryna sie in die russisch-orthodoxe Kirche? Was hatte das mit dem Medaillon zu tun? Sollte sie sich nicht besser um Arthurs Verbleib kümmern? Steckte am Ende

Weitere Kostenlose Bücher