Kurschattenerbe
Wurscht und an Speck und an Kas her. Mir bedienen uns selber«, hatte Marthas Arbeitgeber gesagt. Sie hatte den Auftrag erfüllt und war kurz vor sieben in den Buschenschank geeilt, wo ihre tüchtige Tochter und einer der Burschen aus dem Dorf inzwischen die Gäste versorgt hatten. Eine Beschreibung der Gäste des Malers könne sie nicht geben, sie wisse nicht einmal, ob es sich um Männer gehandelt habe.
»Es könnten also auch zwei Frauen gewesen sein?«, fragte Klotz.
»Oder oa Mann und oa Frau«, hatte Martha gemeint. Lippenstiftspuren habe sie beim Abwasch allerdings keine an den Gläsern entdeckt. Sämtliches Geschirr hatte sie selbstredend längst gespült. Für die Spurensicherung war da Hopfen und Malz verloren. Mit ihrem Arbeitgeber habe sie auch nicht mehr gesprochen. Sie habe ihn am Samstagvormittag schlafend im Bett vorgefunden und sich daher zurückgezogen, um ihn nicht zu stören.
»Mehr woass i nit. I schwör’s«, beendete Martha ihren Bericht und hob die inandergeknoteten Hände flehentlich in Richtung des Herrgotts, der im Winkel über der Eckbank am Kreuz hing.
Aldo Klotz betrachtete die Frau. Sie wirkte so unscheinbar in ihrer altmodischen, geblümten Kleiderschürze, die sie über einer weißen Bluse und einem langen schwarzen Rock trug. Die hellbraunen Haare waren von grauen Fäden durchzogen und achtlos im Nacken zusammengeknotet. Das Gesicht wirkte verhärmt, die Hände abgearbeitet. Sah so eine Mörderin aus?
Aldo wusste aus Erfahrung, dass sich auch hinter einem harmlosen Äußeren ein Verbrecher verbergen konnte. Dass Martha Tappeiner ihren Gönner erschlagen haben sollte, schien ihm allerdings reichlich unlogisch. Andererseits, vielleicht hatte der Maler doch beschlossen, seine Zahlungen einzustellen. Den Mann zu ermorden und das Bild an sich zu bringen, könnte für die Haushälterin der letzte Ausweg gewesen sein.
Aldo war in seine Überlegungen vertieft, während die Frau unvermittelt aufstand und zu der Kredenz ging, die sich an der gegenüberliegenden Wand des Raumes befand. Martha zog die Schublade auf. Aldo erhob sich blitzschnell. Dienstwaffe hatte er keine dabei. Doch er war zum Sprung bereit, sollte sie eine Waffe hervorholen.
Im nächsten Moment drehte Martha sich um. In ihrer Hand hielt sie ein Blatt Papier, das sie vor Aldo Klotz auf den Tisch legte. Eine Zeichnung? Was sollte er damit?
Aldo setzte sich wieder und sah sich das Blatt genauer an. Mit einem Schlag wurde ihm klar, was darauf zu sehen war. Die Zeichnung zeigte einen Mann auf dem Fass – das Motiv des gestohlenen Bildes.
»Meine Tochter, die Krischtl, hat des g’malt. I hab mir denkt, des hilft der Polizei vielleicht, des Bild wiederzufinden.« Martha machte eine Pause. »Und den Mörder …«
»Ihre Tochter kennt das Bild ebenfalls?«
»Ja, sie war ja dabei, wie i in sei Atelier gegangen bin. Hätt’ i’s bloß sein lassen. Ma sigt jo, wozu es g’führt hat.«
Aldo fürchtete, die Frau würde wieder die Hände vors Gesicht schlagen, daher sagte er rasch: »Scheint sehr talentiert zu sein, ihre Tochter.«
Über Marthas Gesicht ging ein Strahlen, das ihre verhärmten Züge verwandelte. Aldo Klotz konnte sich gut vorstellen, dass sie einmal eine hübsche Frau gewesen war. »Freilich. Des hat sie vom Vater«, sagte Martha.
»Ihr verstorbener Mann war auch Kunstmaler?« Aldo konnte sich an keinen diesbezüglichen Hinweis erinnern. Soviel er wusste, war Marthas Mann Bergführer gewesen und in den Bergen ums Leben gekommen.
Marthas Lächeln verschwand so rasch wie es gekommen war. Dafür überzog eine feine Röte die Wangen der Frau. »Na, von mein Mann hat sie’s g’wiss nit. Der Vater von der Krischtl isch der Peter Mitterer.«
*
Zur selben Zeit, als Kommissar Klotz die Haushälterin einvernahm, startete Jenny Sommer einen der Laptops im Cernysaal, einem weiteren stilvollen und zugleich zweckdienlichen Raum des Kurhauses. Sie hatte hier die Wahl zwischen vielen Arbeitsplätzen, die für die Konferenzteilnehmer eingerichtet worden waren, damit sie letzte Hand an ihre Vorträge legen oder Recherchen im Internet durchführen konnten.
Der Bildschirm leuchtete auf, die Zeitanzeige zeigte kurz vor 11 Uhr. Jenny nahm den Fotoapparat, den sie auch heute wieder bei sich trug, aus ihrer Handtasche und machte sich hektisch daran zu schaffen. Sie befand sich ganz allein in dem Raum und würde die Zeit bis zur Mittagspause, in der sich gewöhnlich Teilnehmer zum Arbeiten hier einfanden, für ihre Zwecke
Weitere Kostenlose Bücher