Kurschattenerbe
schlug die Hände vors Gesicht.
Klotz sah ein, dass er hier auf die harte Tour nicht weiterkam. Er kaute also die ganze Geschichte erneut mit ihr durch – von der Auffindung der Leiche bis hin zur Entdeckung des fehlenden Bildes, die Martha zunächst der Polizei gegenüber verschwiegen hatte.
»I han denkt, da mach’ i’ mi glei verdächtig. Jetzt, wo Es 1 den Mörder immer no nit hab’s, hab i die Wahrheit g’sagt.«
»Dem Chefreporter vom Meraner«, hatte Klotz geantwortet, jedoch erkennen müssen, dass Sarkasmus hier fehl am Platz war.
Martha hatte wieder die Hände vors Gesicht geschlagen. »I han mir nit andersch zu helfen g’wisst«, brachte sie unter Schluchzen hervor.
Klotz blätterte in dem Protokoll der ersten Einvernahme, das vor ihm auf dem Tisch lag. »Sie haben angegeben, dass Sie jeden Tag bei Peter Mitterer waren. Auch sonntags.«
»Richtig. I war immer am Vormittag dort, hab aufgeräumt und ihm das Mittagessen gekocht. Wenn er da war, halt. Wenn nit, han i die Fenschter geputzt und verschiedene Arbeit’n g’macht.« Martha Tappeiner rieb weiterhin ihre Hände ineinander. »Es isch immer was zu tian in so an groaß’n Haus. Obwohl …« Plötzlich hielt die Frau in ihrer Bewegung inne, legte die Hände auf die Tischplatte und schwieg.
»Frau Tappeiner, machen S’ es mir doch nicht so schwer. Was wollten S’ denn g’rad sagen.« In der Hoffnung, das Vertrauen der Frau auf die leutselige Art gewinnen zu können, bediente sich auch Aldo nun des Dialektes. Das schien die richtige Taktik zu sein.
»Was i woaß, isch es ihm finanziell nit so guat gangen. In letzschter Zeit hat er kaum mehr was g’malt und a nix verkauft. I han in Peter g’fragt, ob i vielleicht seltener kemmen soll. Aber er hat darauf bestanden, dass alles so bleibt, wie’s woar. ›Die kann i mir no leischten‹, hat er gmoant.«
Während sie sprach, hatte Martha ihre Gesten wieder aufgenommen. Allerdings rieb sie nicht mehr die bloßen Handflächen ineinander, sondern knetete darin ein kariertes Taschentuch, in das sie sich zuvor geräuschvoll geschnäuzt hatte. »Er war ja so a guater Mensch«, setzte sie ihren Redefluss fort. »Hat alleweil auf mi g’schaugt. Manchmal hat er mi sogar am Abend hergebeten – zum Kochen, wenn er Gäscht g’habt hat. Des hat er mir ekschtra gezahlt.«
Aldo Klotz merkte auf. Von abendlichen Gästen war bisher nicht die Rede gewesen. Sofort hakte er nach: »Hat er in der Mordnacht vielleicht auch Gäste gehabt?«
»Na, wo denken S’ denn hin. Des het i Ihnen do scho längst d’erzählt.« Martha war so empört, dass sie sogar aufhörte, ihr Taschentuch zu kneten.
Wie konnte er, Aldo Klotz, auch annehmen, sie hätte der Polizei etwas verschwiegen – wo sie sich doch erst vor Kurzem der falschen Zeugenaussage schuldig gemacht hatte? Er wollte die Frau hart anfahren, doch sie redete weiter. »Wie gesagt, in letzschter Zeit isch es immer ruhiger um den Peter geworden. Koane Bilder, koane Ausstellungen, koane Gäscht. Obwohl …«
Klotz hielt es gar nicht mehr für nötig, die Frau zu ermuntern. Gleich würde sie weiterreden, das hatte er im Gespür.
»Vorigen Freitag muass jemand bei ihm g’wesen sein.«
Aldo Klotz rief sich die bekannten Fakten blitzschnell ins Gedächtnis: Die Leiche wurde Sonntag früh von der Haushälterin gefunden. Der Tod war laut Obduktionsbericht in der Nacht von Samstag auf Sonntag eingetreten. Der Mord hatte allem Anschein nach am Samstag am späteren Abend stattgefunden. Wenn Freitag jemand bei Peter Mitterer gewesen war, hieß das, dass das Opfer einen Tag vor seiner Ermordung Besuch gehabt hatte.
»Es war also am Freitagabend jemand beim Ermordeten«, sagte Aldo betont ruhig. »Wissen Sie auch den Namen des Gastes?«
Martha begann wieder, ihr Taschentuch zu kneten. Mit tränenerstickter Stimme presste sie hervor: »Wenn i des nur wüsst. I han ja niemanden g’segn. Sonscht hätt i do scho längscht eppes g’sagt. Mein Gott, wenn oaner von denen der Mörder …«
»Einer von denen?«, hakte Aldo nach. »Wie viele waren es denn?« Aldo war mit seiner Geduld am Ende. Wenn Martha so weitermachte, musste er sie tatsächlich aufs Kommissariat mitnehmen.
Doch die Mühe ersparte sie ihm: Es mussten zwei Gäste gewesen sein, berichtete sie. Peter Mitterer habe sie gebeten, drei Gedecke aufzulegen. Gekocht habe sie nicht, nur eine Marend hergerichtet. »Brauchsch heit nit dableiben, am Freitag isch im Buschenschank genug los. Richt lei a bissl a
Weitere Kostenlose Bücher