Kurswechsel im Beruf
reproduzierbar. Selbst wenn wir bei der nächsten Kundin dasselbe Instrumentarium einsetzen, wird das Ergebnis ein anderes sein. Erstens sitzt uns ein anderer Mensch mit einem anderen Hintergrund gegenüber. Zweitens haben wir uns selbst bereits wieder geändert. So wie wir nicht zweimal in denselben Fluss steigen können, können wir auch nicht zweimal dieselbe Leistung anbieten.
Insofern ist es wichtig, dass wir die Kunden anziehen, die am meisten von beidem profitieren, was wir zu bieten haben: von unserem inhaltlich-fachlichen Beitrag und von unserer Persönlichkeit. Deshalb ist die Akquisitionsform, bei der unsere Persönlichkeit zum Vorschein kommt, für beide Seiten interessanter als lediglich ein Eintrag im Branchenverzeichnis.
Zum anderen ist wichtig, wie wir unsererseits die Beziehung gestalten. Meine Erfahrung dazu ist: Je authentischer wir selbst sind, desto mehr geben wir auch unseren Kunden Raum, sich für Neues und Überraschendes zu öffnen. Das wirkt dann wieder auf uns zurück, und so setzt sich die Dynamik dieses Wechselspiels fort. Es kann aber auch sein, dass diese Dynamik gestört ist. Häufig sind wir dann nicht ganz bei uns, nicht ganz wir selbst. Abgesehen von situativ bedingten Störungen sind wichtige Ursachen, dass wir
uns unsere Freiheit nicht nehmen;
unsere Freiheit wieder abgeben.
Für viele Unternehmer ist der Wunsch nach unternehmerischer Freiheit ein leitendes Motiv. Sie wollen die eigenen Vorstellungen, den eigenen Stil, die eigenen Werte verwirklichen. Anders gesagt: authentisch arbeiten. Doch oft geht es uns wie dem Bären im Käfig, der jahrelang fünf Schritte hin und fünf Schritte her trottet und nicht merkt, dass der Wärter das Gitter entfernt hat. Er bleibt in seinem Trott.
Ich war sehr überrascht, als ich nach einigen Monaten Selbstständigkeit von Tag zu Tag unzufriedener wurde. Was war schief gelaufen? Hatte ich die falsche Entscheidung getroffen? War es das bekannte Phänomen, dass Träume nur so lange ihren Reiz haben, wie sie unerfüllt sind?
Als ich meiner Unzufriedenheit auf den Grund ging, fand ich heraus: Ich hatte noch nicht realisiert, dass der Käfig weg war. Ich ging immer noch meine fünf Schritte hin und zurück. Disziplin hatte einen höheren Stellenwert als Freude. Meine Kreativität war immer noch eingesperrt, meine Energie gebremst.
Äußere Freiheit zu haben, bedeutet daher nicht zwangsläufig, sie auch zu nutzen. Sie will genommen sein. Authentisch zu werden, ist ein Prozess. Anfangs war mein Coachingstil noch sehr geprägt von fremden Rollenmodellen. Mehr und mehr realisierte ich, dass ich mit zwanzig Jahren Managementerfahrung andere Voraussetzungen habe, als sie ein Coach mit therapeutischem Hintergrund mitbringt, der noch nie selbst in einer Führungsposition oder überhaupt in einem Wirtschaftsunternehmen gearbeitet hat; dass ich eine andere Persönlichkeitsstruktur habe, vielleicht ein anderes Temperament. In dem Maße, wie ich meinen eigenen Stil entwickelte, fühlte ich mich nicht nur mehr mit mir selbst in Einklang, sondern bekam auch positives Feedback von meinen Klienten und anderen Menschen.
Checkliste: Haben Sie sich Ihre Freiheit schon genommen?
Was waren Ihre ursprünglichen Motive für die Selbstständigkeit ?
Wie beurteilen Sie deren Erfüllungsgrad auf einer Skala von 0 (= gar nicht) bis 10 (= hundertprozentig)?
Was fehlt?
Was haben Sie alles neu dazugelernt?
Welche äußeren und persönlichen Engpässe stehen Ihrer größeren Zufriedenheit im Wege?
Was wollen Sie konkret tun, um das zu ändern?
Das zweite Risiko ist, dass wir unsere Freiheit wieder abgeben, indem wir einem falschen Verständnis von Kundenorientierung huldigen.
Zwischen unseren Kunden und uns besteht zwar eine Wechselbeziehung, vergleichbar einem Tanz, wo der Impuls mal vom einen, dann vom anderen Partner kommt. Dennoch ist wichtig, dass wir nicht blind reagieren, sondern darauf achten, was für uns selbst stimmig ist. Wenn wir nur den Kundenwünschen hinterherhecheln, sind wir in Gefahr, uns wieder selbst zu verbiegen, nachdem wir gerade unsere Freiheit gewonnen haben.
Produktentwicklung in der Kundenbeziehung
Wir haben gesehen, dass unsere Arbeit erst in der Kundenbeziehung entsteht und durch das permanente Wechselspiel beeinflusst wird, das zwischen uns und unseren Kunden herrscht. Der eine Faktor, durch den wir dieses Wechselspiel beeinflussen, ist unsere Persönlichkeit und unsere Authentizität . Wenn wir unsere Freiheit nicht nehmen oder wieder
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