Kurt Ostbahn - Blutrausch
von Beweismaterial, heißt das, glaub ich, im Fachjargon. Und Behinderung der polizeilichen Ermittlungen.
Ich hätte meinen beiden Experten die gefälschten Whitney-Houston-Platten und die Cassetten mit Fürst Astaroths Thanksgiving-Party zumindest gleich nach unserer Privatvorführung wieder abknöpfen sollen und Brunner zur weiteren Prüfung aushändigen. Und noch schlauer wäre es gewesen, gleich nach dem ersten Blick auf den dubiosen Inhalt der Kisten die Polizei anzurufen.
Die hätte wahrscheinlich das Geheimnis der falschen Whitney nicht so rasch gelöst wie Trainer und Trash. Aber wenn sie sich den Astaroth-Gschnas bis zum launigen Ende angeschaut hätte, dann hätte Brunner im neuen „ AAS -Girl des Jahres“ sofort die von ihm zum Tod des Wickerl befragte Elfriede Tomschik wiedererkannt.
Keine Ahnung, wie Profis mit solchen Erkenntnissen umgehen. Aber ich schätze, so ähnlich wie ihre Kollegen im Kino. Sie lassen also zum Beispiel ein sensationelles Rendezvous im H aas -Haus platzen, ihre Katzen ausnahmsweise eine Nacht lang hungern und sogar die ganze japanische Wahrheit über Mayerling unenthüllt, machen sich auf die Socken und gehen den Hinweisen nach, so lang die Spur noch heiß ist.
Was sich Kurti und die Detektive bisher geleistet haben, war Pfusch. Ich fürchte, der größte Pfusch meines Lebens.
Und ich hab gar kein gutes Gefühl, als die Oberschwester ausgerechnet mit Brunner das Besucherzimmer stürmt.
„Ein Mal noch, Herr Weinhofer, und Sie kommen ins Gitterbett!“ kreischt sie. „Der Herr Oberinspektor sucht Sie schon im ganzen Stock. Wir sind ein Spital und kein Kaffeehaus! Also gemma gemma, ins Zimmer und unter die Tuchent!“
Sie nimmt dem Herrn Josef die Zigarette weg, tritt sie am Boden aus und will ihren bettlägrigen Patienten vom Sessel hochziehen.
Brunner interveniert. Und weil es sich auch um eine Sache des Sicherheitsbüros handelt, darf der Herr Josef ausnahmsweise noch zehn Minuten sitzen bleiben. Dann aber wird sie ihn eigenhändig zurück ins Bett bringen, wenn’s sein muß am Schlawittl.
„Und die Nachspeis is heut gestrichen, damit wir uns das merken, Herr Weinhofer!“ verkündet die Hantige ihr Urteil.
Dann rauscht sie ab.
„Na, meine Herren“, sagt Brunner. „Was gibt es Neues?“„Sie haben gestern beim Dings, beim Trainer angerufen“, beeile ich mich.
„Hat sich erledigt“, sagt Brunner, zieht ein Foto aus der Tasche und legt es vor dem Herrn Josef auf den Tisch. Mit der Rückseite nach oben.
„Hat sich alles erledigt. Quasi von selber. Soll ich Euch ein paar Neuigkeiten erzählen?“
„Bin ganz Ohr“, sage ich.
„Haben Sie ihn?“ fragt der Herr Josef.
Brunner dreht langsam das Foto um.
„Das is er. Das Gesicht erkenn ich unter tausend Gesichter wieder, mein Lebtag lang“, sagt der Herr Josef und starrt auf das Foto.
„Aber was is denn dem passiert?“
Ich werfe einen Blick auf das Bild. Entweder ist der zirka Vierzigjährige schon sein ganzes Leben mit einer derart fleischigen, breiten Visage gestraft, oder es hat sie erst kürzlich jemand so breitgeklopft. Das getrocknete Blut um die verschwollenen Augen und unter der Nase lassen eher letzteres vermuten.
„Unser Ederl“, erläutert Brunner. „Ederl der Große. Eduard Jerabek. Baujahr 1949. Zwei Meter hoch. 130 Kilo schwer. Stark wie ein Stier und blöd wie ein Ochs. Ein Stammkunde von uns. Einbruch. Raub. Nötigung. Körperverletzung. Insgesamt zehn Jahre Schmalz.“
Auch wenn es am Freitag im Rallye nicht so ausgesehen hat: Brunner liebt seinen Beruf. Aber wahrscheinlich tut das jeder, wenn er plötzlich, spät und unerwartet Erfolg hat.
Und Ederl der Große ist ein Erfolg. Er hat gesungen. Trotz der zwei ausgeschlagenen Zähne. Den ganzen Sonntagvormittag. Ein Lied nach dem andern. Sein gesamtes Repertoire.
„Schöner wie Sie, Herr Doktor“, sagt Brunner, und fügt hinzu „für meinen Geschmack.“
21
Gestern hat den großen Ederl die große Lust auf ein bisserl Zweisamkeit gepackt.
An normalen Tagen ist sein hormonelles Gleichgewicht nach dem Besuch einer der Peep-Shows am Gürtel wieder hergestellt, der Ederl lädt sich für die Zeit vor dem Einschlafen vielleicht noch die Theresa Orlowsky zu sich nach Hause ein, und damit ist das Problem für ihn und das Wiener Nachtleben aus der Welt.
Der gestrige Samstag war aber kein normaler Tag. Erstens war, so kurz nach Allerheiligen, in der Gärtnerei beim Baumgartner Friedhof nicht viel zu tun (Ederl der Große arbeitet
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