Kurt Ostbahn - Blutrausch
beschrieben, und gestern Vormittag waren dann noch zwei andere Kieberer da, und wir haben ein Phantombild gezeichnet. Wissen S’ eh, wie im Fernsehen, mit solche Schablonen, Frisur, Augen, Nase, Mundpartie. Der Brunner war begeistert. Er hat gsagt, das ist das Porträt von einer alten Kundschaft, der er jetzt gleich das Wochenend versauen wird. Und weg war er, der Brunner, und is seitdem nicht mehr auftaucht.“
„Und der zweite Typ, den haben Sie nicht gesehen?“ frage ich.
„Na, Sie sind mir ein Detektiv“, sagt der Herr Josef milde. „Wie soll ich jemanden erkennen, der mich von hinten an der Gurgel packt und mir dann ein Scheitel Holz übern Schädel haut? Glauben S’ er hat sich vorher bei mir vorgestellt und entschuldigt?“
Der Herr Josef lacht und ich lache mit. Aus Höflichkeit.
Nein. Ich bin kein Detektiv. Weil ich die Nachteile dieses Jobs aus meiner Profession nur zu gut kenne: viele leere Kilometer, viel sinnloses Warten, unregelmäßige Arbeitszeit, ungesunde Ernährung, ein schlechter Umgang und noch schlechtere Bezahlung. Der entscheidende Unterschied ist nur: Wenn der Detektiv sein halbes Leben unter solchen Bedingungen zubringt, ist er eines Tages so mit den Nerven fertig, daß er anfängt grobe Fehler zu machen, und das endet eines Tages tödlich. Dem zerrütteten, grob fehleranfälligen Musikanten hingegen droht bloß der Abstieg in die nächst untere Spielklasse, wo er sich aber immer noch mit Vollplayback-Auftritten in Landdiscotheken ins Pensionsalter retten kann.
Ich mache mir sozusagen als interessierter Laie ohne detektivische Ambitionen, der durch einen Lieferschein in der Hosentasche des Auer Wickerl in mittlerweile zwei Mordfälle geraten ist, halt so meine Gedanken.
Und wenn, wie der Herr Josef am eigenen Leib erfahren hat, zwei Täter in seinem Schuppen tätig waren, dann sieht das für mich ganz so aus, als hätte Media Sales zwei freie Mitarbeiter ins Rallye geschickt, um die falschen Whitneys, die der Wickerl entführt und in seine Bananenkisten gesperrt hat, wieder heimzuholen.
Und dabei kam ihnen als erstes der Rudi in die Quere, und dann der Herr Josef.
Aber woher wußten die Piraten von den Kisten im Schuppen? Hat ihnen der Wickerl sein Versteck verraten? Bei einem kurzen nächtlichen Gespräch in der Sechshauser Straße, das mit seiner Hinrichtung endete? Wenn die Angelegenheit den Piraten dermaßen unter den Nägeln brannte, daß sie den Wickerl auf offener Straße umlegen ließen, begreife ich nicht, weshalb sie sich bis Freitag Nachmittag mit dem Abholen der Kisten Zeit gelassen haben. Warum erledigten sie den Wickerl und den Abtransport der Kisten nicht gleich in einem Aufwaschen? Oder zumindest gleich in der nächsten Nacht? Nachdem ich mit Marlene gegangen war und der Herr Josef das Rallye zugemacht hatte, wären sie im Schuppen völlig ungestört gewesen.
„Und die drei Kisten vom Wickerl sind weg?“ frage ich den Herrn Josef, der sich die nächste Zigarette anzündet.
„Weg. Sagt der Brunner“, hustet er.
„Und dem Wickerl sein Janker auch“, sage ich. „So. Das war die letzte für heute, Herr Josef.“
Ich packe die Zigaretten ein. Der Herr Josef ist damit nicht einverstanden.
„Ich hab nicht TBC, ich hab sechs Nähte in meinem Blutzer und eine Gehirnerschütterung, eine leichte,“ sagt er. „Und wenn die Kisten weg sind, ist auch der Janker weg. Weil ich ihn dem Rudi mitgegeben hab nach hinten, daß er ihn zu den anderen Sachen vom Wickerl legt. Ich wollt ihn nicht länger im Lokal herumhängen haben.“
Der Herr Josef raucht und schweigt.
„Herr Kurt“, sagt er dann leise. „Ich will, daß die Mörder gefaßt werden. Der Rudi war keine große Leuchte, das wissen Sie, aber er war ein herzensguter Mensch. Und ich will, daß die zwei büßen für das, was sie mit ihm gmacht haben. Mit dem Rudi und mit dem Wickerl. Wann Sie oder der Herr Trainer was wissen, das dem Brunner weiterhilft, dann reden S’ bitte mit ihm. Ich hab zu ihm nix gsagt, daß Sie am Donnerstag in der Schupfen waren und sich die Kisten angschaut haben, aber wann Sie jetzt mit ihm reden würden, ich glaub, das wär eine große Hilfe.“
Ich nicke und wünsche mich und den Herrn Josef ins Rallye , wo er mir einen Scharlachberg nach Art des Hauses einschenkt. Dermaßen gestärkt könnte ich ihm eher erklären, daß das mit dem Brunner mittlerweile eine ziemlich komplizierte Sache ist.
Der Trainer, der Doc und ich haben da nämlich allerhand verschissen. Unterschlagung
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