Kurt Ostbahn - Blutrausch
dort wegen der Bewährungshilfe und der Sozialversicherung im Geschäft seines Bruders), zweitens machte sich ein daher vor überschüssigen Energien geradezu strotzender Ederl auf große Fahrt ins Peep-Vergnügen, und drittens war das Angebot an animierlicher Weiblichkeit an diesem Samstag so erbärmlich („Ollas Graten, ollas Bana“), daß Ederl der Große die Lokalitäten nicht beschwingt und erleichtert, sondern mit dem ganz großen Frust verließ.
Im gürtelnahen Tanga Club spülte er seine üble Laune mit einem Dutzend Bieren hinunter, übersah dabei aber anscheinend, daß hier ein einziges Import-Krügel so viel kostet wie ein solider Vollrausch bei seinem Stammwirten in der Abelegasse. Dafür bietet der Tanga Club dem alleinstehenden Herrn jedoch Anschluß. Ein halbes Dutzend charmanter, leicht bekleideter Damen aus dem In- und Ausland läßt sich gern auf den einen oder anderen Piccolo einladen, und es bedarf keiner großen Überredungskunst, eine Sirene namens Lorelei, Piroschka oder Angelique zu Spiel und Spaß in eines der Separees zu entführen. Vorausgesetzt, man hat das nötige Kleingeld einstecken.
Der Ederl hatte sein Spielkapital aber bereits versoffen, als er zwei wissensdurstige Teenager aus dem einstigen Osten auf eine Französischstunde ins Hinterzimmer einlud. Und er verstand die Welt nicht mehr, als ihr Wissensdurst in massives Desinteresse umschlug, weil er das Schulgeld nicht zahlen konnte.
Wenn Ederl der Große die Welt nicht mehr versteht und noch dazu was getrunken hat, dann muß er das kleine Stückchen Welt, das er in die Finger kriegen kann, kurz-und kleinschlagen. Das hat ihm schon öfter Schwierigkeiten eingebracht, aber so ist er nun einmal, der Ederl, und die zehn Jahre Häfen konnten seinen Mangel an Verständnis für den Lauf der Welt auch nicht wirklich beheben.
Gestern im Tanga Club mußten das Nasenbein einer ungarischen Geheimprostituierten, der Handwurzelknochen ihrer aus der Ukraine gebürtigen Kollegin, ein rotweiß karierter Bettvorleger und das Waschbecken dran glauben, ehe drei Kavaliere das Separee stürmten, die beiden Mädchen aus den Klauen des randalierenden Ederl befreiten und ihn mit vereinten Kräften aus dem Lokal entfernten.
Auf der Straße fand dann jene Besprechung statt, der der Ederl sein derzeitiges, auf dem Polizeifoto dokumentiertes Aussehen verdankt. Und es wäre noch viel schlimmer, wenn nicht die Ankunft der ersten von insgesamt vier Funkstreifen die drei Kavaliere und den Störenfried in ihrer Unterhaltung unterbrochen hätte.
Der Ederl landete auf dem Kommissariat Tannengasse, und einer der Journalbeamten erkannte ihn sofort als den seit heute zur Fahndung ausgeschriebenen Eduard Jerabek. Daß der Verhaftete einen Führerschein und einen Personalausweis bei sich trug, der auf den Namen Ludwig Auer lautete, und auch steif und fest behauptete, dieser Ludwig Auer zu sein, brachte Ederl dem Großen nur ein paar herzhafte Lacher und Watschen der vom Samstagabendstreß gezeichneten Kieberer ein.
Nach der medizinischen Versorgung durch den Polizeiarzt und dreieinhalb Stunden Schlaf in der Ausnüchterungszelle wurde der Ederl ins Sicherheitsbüro überstellt, und Brunner begann sein Tagwerk.
Es gab Kaffee, Zigaretten und zwei Alternativen für den Ederl: entweder eine wirklich erstklassige und restlos überzeugende Demonstration seiner Sangeskunst, oder ein ganz zufälliges Wiedersehen mit den drei Kavalieren aus dem Tanga , ohne Zeugen, in einem schalldichten Raum des Hauses.
Der Ederl entschied sich zähneknirschend für den musikalischen Teil des Ultimatums.
Am Anfang, und der war am Donnerstag, stand ein Anruf in der Friedhofsgärtnerei. So um halb zehn. Ein Bekannter. Er hätte da was. Einen Job, der zwar kein Zinshaus bringt, bei dem sich der Ederl aber auch keinen Bruch heben wird. Einen Abtransport von Schallplatten und Videocassetten. Schnelle Marie. Noch dazu schleppt er nicht allein. Es gibt einen Buckel, eine Hilfskraft, die Näheres weiß über das Wann und Wo.
Der Ederl war dabei.
Um 19 Uhr traf er in einem Kaffeehaus in der Hütteldorfer Straße seinen Buckel, und der sah das etwas anders. Der Mann war ganz eindeutig der Boß und der Ederl sollte schleppen. Dem Ederl war das gar nicht so unangenehm. Erstens änderte die neue Rollenverteilung nix an der Höhe seiner Gage, und zweitens hat er eine gesunde Selbsteinschätzung. Der Ederl weiß, daß er nicht zur Führungskraft geboren ist.
Sein neuer Arbeitgeber hingegen war der
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