Kurt Ostbahn - Blutrausch
eigentlich Knabengeschichten sind) nachdenke, dürfen sich meine Experten von Donna ihre schärfsten Videos vorführen lassen.
Könnte ein richtig netter Abend werden.
27
„Will der was von Ihnen?“ fragt der Taxler.
Er hat nichts dagegen, daß ich mir eine anrauche, spielt eine Cassette der Allman Brothers Band („Eat a Peach“), und auf dem Beifahrersitz liegt ein Taschenbuch von Flann O’Brien („Der dritte Polizist“, die Nummer 2 auf des Trainers Bestenliste), also kann er eigentlich kein schlechter Mensch sein. Trotzdem macht es ihm offensichtlich einen Heidenspaß, sich auf meine Kosten zu amüsieren.
„Vielleicht ein Autogrammjäger“, sagt der Taxler und grinst mich durch den Rückspiegel an.
Es ist halb Fünf. Ganz Wien liegt im weichen, warmen Federbett und träumt von den Annehmlichkeiten der heranbrechenden Arbeitswoche. Nur ich hänge auf der Rückbank eines Funktaxis in den Seilen, denke an die Kopfschmerzen, die mir diese Nacht in Donnas Wohnparadies in weniger als fünf Stunden bescheren wird und bin dem Hohn eines frustrierten Bildhauers (oder Musikers, Malers, Dichters, Erfinders, ewigen Anglistikstudenten) und Wochenend-Taxlers hilflos ausgeliefert.
„Fans können, wie man hört, ziemlich lästig werden“, sagt er.
„Taxler auch“, sage ich leise.
„Passiert Ihnen das öfter?“ stichelt er weiter, entweder weil er mich nicht gehört hat oder weil ihn der Neid auf die Popularität eines hart arbeitenden Musikanten zum verbitterten, sekkanten Spötter gemacht hat.
„Sie sind doch im Grunde ein netter Mensch. Oder?“ sage ich, jetzt etwas lauter. „Warum lassen S’ mich dann nicht in Frieden?“
„Das dürfen S’ nicht mir sagen, Herr Ostbahn, da müssen Sie sich schon bei dem Typ im weißen Citröen beschweren. Aber ich kann mir das vorstellen. Muß ein ziemlicher Streß sein. Tag und Nacht im Rampenlicht. Nix Privates. Nicht einmal im Privatleben. Ich würd nicht mit Ihnen tauschen wollen.“
Doch ein guter Mensch. Herzensgut. Und während er, ausgehend von meinem Schicksal, auf das der wirklichen Stars, in England und Amerika zum Beispiel, zu reden kommt, starre ich aus dem Fenster hinaus auf den Gürtel.
Das Nachtleben hat schon Sperrstunde. Ein paar Laster beliefern die wenigen Läden, die hier tagsüber offen haben. Sonst ist niemand auf der Straße.
Nur mein Taxi und ein weißer Citröen.
„Wie lang is der schon hinter uns?“ unterbreche ich die Betrachtungen des Taxlers über die Isolation und den daraus resultierenden Realitätsverlust vieler Stars und Idole, die zu Alkoholismus, Drogensucht und lebensbedrohender Vereinsamung und innerer Armut führen.
„Schon die ganze Zeit. Wie wir aus der Florianigasse weggefahren sind, hat er sich anghängt. Und seitdem fahren wir im Convoy.“
Wir biegen in die Sechshauser Straße ein. In zwei Minuten stehen wir vor meinem Haus. Der Taxler wird kassieren und weiterfahren, seine Allman Brothers hören und über Elvis nachdenken.
Und ich werd in der menschenleeren Reindorfgasse stehen, vielleicht noch den Haustorschlüssel aus der Tasche holen, und spätestens beim Aufsperren wird der kalte Hauch des Todes meinen Nacken streifen.
In der Reindorfgasse sind wir bei“Graceland“ angelangt, und der Citröen fällt etwas zurück.
„Das is kein Autogrammjäger“, sage ich. „Der will was anderes.“
„Sag ich ja“, sagt der Taxler, „Man wird zum Allgemeingut, wird zur öffentlichen Bedürfnisanstalt. Jeder glaubt, er kann, darf und tut es auch! Warum hatte Elvis eine ganze Armee von Sicherheitsleuten und scharfen Hunden? Warum?“
Das Taxi hält vorm Haus. Der Citröen hält Abstand.
Natürlich könnte ich auch ein Stück weiter fahren, zum Kommissariat in der Ölweingasse, und dort melden, daß mir ein weißer Citröen gefolgt ist, bis direkt vor die Tür des Wachzimmers, und daß die Frau meines Trainers und eine gewisse Elfi Tomschik Samstagnacht ebenfalls einen weißen Citröen gesehen haben, auf der Fahrt von der Längenfeldgasse zum Quell drüben am Eck, und der Mopedfahrer aus dem Kronenblatt bereits in der Nacht, in der der Wickerl ermordet wurde, unten in der Sechshauser Straße einen beigen oder weißen Wagen beobachtet hat, und daß das mit einem Fall zu tun hat, der weite Kreise zieht, bis hinüber nach Kalifornien und bis hinunter in die Welt des organisierten Verbrechens, aber ich fürchte, der diensthabende Beamte wird mir nur mit müden Augen ins schwer getrübte Auge blicken und mir
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