Kurt Ostbahn - Kopfschuss
Weinhofer Josef. Und vor zirka fünf Jahren hat dort ein gewisser Ludwig Auer, genannt Wickerl, seinen Freund, den Rudi, mit einem Springmesser bedroht.“
„Worauf der Rudi an seinem Unterarm eine Kapsreiter-Flasche zerschlagen hat“, setze ich die alte Geschichte fort, die sich seinerzeit zu meinem ersten Fall auswachsen sollte. „Das ist ewig her und bald nimmer wahr.“
„Oder nie gewesen?“, meint Melanie. „Ich hatte den Blutrausch auf meiner Bücherliste für die Deutsch-Matura.“ „Erstaunlich“, sage ich.
„Also dann bis neun. Freu mich schon.“
Natürlich kann ein erster telefonischer Eindruck trügen, aber Melanie Echsner macht absolut nicht den Eindruck einer Verrückten. Und außerdem weiß sie was über den Verbleib des Trainers, das man nicht fernmündlich besprechen sollte.
Doktor Trash ist nach der Durchsuchung der Meidlinger Mansarde in sein Datenheim zurückgekehrt, um die gewonnenen Erkenntnisse auszuwerten und - wenn noch Zeit bleibt - Roman Schindler, dem Opfer von Dreikreuz, auf den toten Zahn zu fühlen.
Mir hatte der Doc zuvor noch die Aufgabe zugeteilt, der Martini-Connection nachzugehen, die seiner Meinung nach Melanie und den Trainer verbindet. Der Kontakt zu der aufstrebenden Journalistin war rasch hergestellt und jetzt hab ich noch drei Stunden Zeit, mich auf das Treffen im Rallye einzustimmen. Also leg ich mich auf die Bettbank, drehe den Fernseher an und schalte auf internationalen Fußball. Als ich wieder aufwache, ist es kurz nach acht und in Australien wird gerade um die Wette gesurft.
Im Rallye ist auch heute nicht der Bär los. Der Herr Josef hat einen einzigen Gast. Und das ist der Polifka Rudl, ein stiller Witwer und Zecher, wie es in einem ihm gewidmeten Schlager heißt, der auf eine lange Karriere als Kino-Billeteur zurückblicken kann und heute seine karge Rente in der Peepshow am Mariahilfer Gürtel aufbessert, wo er für das Wechseln der Münzen zuständig ist und für den Verkauf von Billigst-Erotika aus der Wühlkiste im Foyer.
Der Polifka sitzt bei einem Achtel Rot und sucht das Fernsehprogramm nach alten Filmen ab, für die er in seiner großen Zeit im Handl-Kino den Einlass gemacht hat. Das macht der Rudi immer nach Dienstschluss. Und jeden Abend erlebt er die gleiche Enttäuschung, die er sich dann mit vielen Fluchtachteln wegtrinken muss.
„Heut is El Dorado. Spitzenfilm. Mit’n Robert Mitchum und dem John Wayne. Der Duke, weißt eh“, sagt er zum Herrn Josef und ihr tägliches Ritual beginnt.
„Wo is’n El Dorado, Rudi?“, fragt der Herr Josef.
„Aufn TNT. Im Original. 23 Uhr 35. Tipp des Tages“, zitiert der Polifka aus dem Kurier.
„Für den TNT brauchst aber einen Kabelanschluss oder eine Schüssel, Rudi.“
„Auf mein Apparat spielt’s des ned?“
„Nein“, sagt der Herr Josef und stellt mir kommentarlos ein kleines Bier und seinen ewigen Begleiter, den großen Fernet, hin. „Du hast eine Zimmerantenne, Rudi, und deshalb spielt’s bei dir nur ORF 1 und ORF 2. Aber vielleicht solltest du dir endlich ein Kabel einleiten lassen. Oder wünsch dir so eine Satellitenschüssel zu Weihnachten.“
„Von wem?“, sagt der Polifka Rudi und verlangt dann nach dem nächsten Achtel Rot. „Hast du El Dorado schon einmal g’sehen, Kurtl?“
„Sowieso“, lüge ich.
„Na und?“
„Spitzenfilm.“
„Was i immer sag“, sagt der Polifka traurig.
Zirka zehn Minuten später geht im Rallye die Sonne auf. Melanie Echsner hat nicht nur fachliche Kompetenz und eine angenehme (Telefon-)Stimme, sie hat auch endlos lange Beine und ein strahlendes Lächeln, das den drei betagten Männern im Rallye sofort die Seele wärmt.
Sie setzt sich zu mir an die Bar und hat Gusto auf einen großen Fernet, weil sie sich in ihrem Job den Magen ausgerenkt hat.
„Es gibt Leut, die machen mich krank, wenn sie bei der Tür reinkommen. Die Morawetz, unsere Frau Chef vom Dienst, ist so ein Fall. Eine frustrierte, hysterische Funsen. Ein Wort genügt und ich hab einen gastritischen Anfall. Aber wir wollten nicht über die Morawetz reden. Sorry“, sagt Melanie, hebt ihr Glas und prostet mir zu.
„Wohl bekomm’s“, sage ich.
Melanie hat hellblondes, kurz geschnittenes Haar. Einen so genannten Bubikopf, der ihre dunklen Augen und die üppigen Lippen noch größer erscheinen lässt. Auch dem Polifka Rudi ist nicht entgangen, dass das Rallye von einer jugendlichen Schönheit heimgesucht wurde, die seine Enkelin sein könnte, aber weil der Rudi keine
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