Kurt Ostbahn - Kopfschuss
du deinen ersten Leguan gegessen hast.“
„Ahja?“
„Alte indianische Weisheit. Die Leute haben zwar nichts außer Mais, Chilis und Kürbissen, aber sie wissen Dinge über das Leben, da können wir Weißen nur staunen.“ „Die Hopi, zum Beispiel“, sage ich. „Über die hab ich einmal in einem Buch gelesen . . . “
„Hier gibt’s keine Hopi“, sagt der Duke. „Hier in der Gegend gibt es eine Hand voll Mestizen, wie die Leute in Tres Gruces, die nicht mehr wissen, ob ihre Vorfahren Tarahumara waren, Pima oder Goncho. Die sind seit Generationen Landarbeiter, Leibeigene, und die vielen Revolutionen haben daran nicht viel geändert. Mir gefällt übrigens deine Zurückhaltung, John, wenn es um Ramon und die Junkyard Angels geht.“ „Wie meinst du das?“, frage ich den Duke.
„Hätte ich hier im Paraiso nicht den wirklich gut bezahlten Job – und in meinem Alter stehen die Chancen schlecht für einen Cowboy, noch dazu mit dem kaputten Bein – , dann würde ich sagen: Ramon ist okay. Er ist ein Desperado. Gut, die zwanzig Jahre Peyote haben in seiner Birne ihre Spuren hinterlassen, und er ist ein Mescalero. Aber er weiß zumindest in seinen klaren Momenten, auf welcher Seite er steht.“
„Und die wäre?“
„Ramon ist ein Mann der Freiheit. Vor ein paar Jahren hatte er angeblich eine Vision, in der seine Ahnen zu ihm gesprochen haben, und da kam er drauf, dass er ein direkter Nachfahre von Geronimo ist, dem legendären Chiricahua-Apachen, der mit seiner Bande hier im Grenzland jahrelang die US-Armee an der Nase herumgeführt hat.“
Ich kenne die Geschichten, wonach Geronimo sozusagen der Erfinder der Guerilla-Taktik gewesen ist und erst nach Jahrzehnten des blutigen Kleinkrieges 1886 oben in der Sierra Madre endgültig kapituliert hat, um bald darauf in einem Indianerreservat weit von seiner Heimat entfernt zu krepieren.
„Demnach reitet heute also Geronimos Erbe auf einem Motorrad durch die Gegend, beraubt die Reichen und beschenkt die Armen?“, frage ich nach.
Mir wird die ganze Angelegenheit, ehrlich gesagt, schön langsam zu kompliziert. Aber ein gutes Einvernehmen mit dem
Duke scheint mir momentan die einzige Möglichkeit zu sein, dem galoppierenden Mister-Smith-Irrsinn zu entkommen. „Ramon ist ein Bandit“, sagt der Duke. „Und Geronimo war bei Gott kein roter Robin Hood. Aber ich fände es nicht gut, wenn ein bezahlter Killer aus Kanada einen Mann erledigt, der für viele Menschen hier ein Freiheitssymbol ist. Die Sache ist nicht so einfach, wie Regina das gern darstellt. Ihr geht es nur um das Geschäft, und die Einheimischen sind auf Reginas Jobs und Aufträge angewiesen. Aber hinter vorgehaltener Hand schicken sie die Alte zum Teufel und applaudieren, wenn Ramon wieder einen fetten Gringoschlitten in die Luft gejagt hat.“
„Und warum begegnet man mir dann überall so überaus hilfsbereit und freundlich? Emilio zum Beispiel, oder sein Schwager Ernesto?“
„Willst du die Wahrheit wissen?“, sagt der Duke. „Erstens weil sie gastfreundliche Leute sind, und zweitens weil sie wissen, dass du nicht die geringste Chance hast. Auch wenn du mit einer ganzen Kompanie kanadischer Killer einreiten würdest, hättest du gegen Ramon und seine Junkyard Angels nicht den Funken einer Chance. Sie kennen das Land auf beiden Seiten der Grenze wie ihre Westentasche. Und sie haben überall Freunde, Familie und Komplizen, wo sie jederzeit untertauchen können. Willst du meinen ehrlichen Rat, John? Hol dir morgen deinen Chevy aus der Werkstatt und schau, dass du auf schnellstem Wege zurück über den Rio Bravo kommst!“
„Verstehe“, sage ich. „Aber da gibt es ein kleines zusätzliches Problem. Angenommen ich hätte das Interesse an diesem Auftrag ganz plötzlich verloren, müsste hier in der Gegend aber noch etwas anderes erledigen . . .“
„Was erledigen?“
„Ich muss einen Mann ohne Namen finden, der sich Trainer nennt und entweder in Begleitung oder auf der Suche nach einer Frau namens Linda unterwegs ist. Das Ganze ist mehr eine familiäre Angelegenheit.“ „Trainer und Linda? Ich kann mich ja einmal umhören“, meint der Duke. „Aber zuerst sollten wir dir einen Hut besorgen.“
„Unbedingt“, sage ich.
13. WIEN-FÜNFHAUS
„Wie wär’s im Rallye? Sagen wir so gegen neun.“
„Sie kennen das Rallye?“, frage ich Melanie Echsner, die nicht nur eine angenehme Telefonstimme hat, sondern auch Bescheid weiß.
„Sechshauser Straße 38. Eigentümer ist ein
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