Kurt Ostbahn - Peep- Show
seine Muse aus dem oberen Stockwerk darauf alles andere als ablehnend reagierte. Er hatte — aus Mangel an Erfahrung mit lebenden Menschen - nur keine Ahnung, was er dagegen tun sollte.
Bettina war nach diesem Abend fest davon überzeugt, daß Dietrich jr. keinesfalls etwas mit dem Mord an Rikki zu tun haben konnte. »Er spielt nur den Gigolo«, sagte sie, »aber in Wahrheit ist er ein ungeliebtes Kind, das nach einer Mama sucht — und wenns nur für eine Nacht ist. Und ich glaube, der Sascha weiß ganz genau, daß sein Vater ein Doppelleben führt.«
Weiblicher Instinkt, dachte Dr. Trash. Dagegen kommt man nicht an.
Kein Wunder, daß der Doc nach all diesen neuen Informationen und Erkenntnissen nicht einschlafen kann. Also steht er auf, zieht eine praktische Trainingshose, einen Rollkragenpullover, seine bewährte Lederjacke und ein Paar Turnschuhe (selbstverständlich alles in schlichtem Schwarz) an, verstaut ein paar Spezialwerkzeuge in einem Rucksack und ruft ein Taxi.
Es gibt zu viele offene Rechnungen, denkt der Doc. Und es wird höchste Zeit, wenigstens eine davon zu begleichen.
***
Das Taxi hat den Doc am Ende der Döblinger Hauptstraße abgesetzt und ist ins Morgengrauen verschwunden. Außer ein paar todmüden Buschauffeuren auf dem Weg zur Arbeit ist um diese Zeit noch kein Mensch unterwegs. Das kommt dem für jede Eventualität gerüsteten Privatermittler gerade recht.
Wie ein Schatten bewegt er sich durch die stillen Gäßchen des Viertels, in dem der österreichische Staat allen Bundespräsidenten, die sich selbst kein Haus leisten können, eine Luxusvilla zur Verfügung stellt. Nach einigen Minuten hat er sein Zielobjekt gefunden: ein feudales Herrschaftshaus, das hinter einem schmiedeeisernen Tor, einer langen, gewundenen Einfahrt und einer Menge Bäume gerade noch sichtbar ist. Da neben dem Vordereingang ein beleuchtetes Wächterhäuschen steht, in dem ein vierschrötiges Individuum an einer langen Zigarette zieht und in die Gegend schaut, wird er sich wohl auf andere Art Zugang verschaffen müssen.
Wenige Minuten später kauert der Doc vor einer Mauer, die den hinteren Teil des parkähnlichen Anwesens umgibt. Um hierher zu gelangen, mußte er nur ein paar Drahtzäune durchschneiden und hoffen, daß die reichen Herrschaften, deren Gärten er lautlos durchquerte, sich keine Killerhunde halten. Jetzt beginnt der schwierige Teil des Einsatzes.
Die Videokamera, die diesen Abschnitt überwacht, ist schnell ausgeschaltet. Dazu braucht der Doc nur ein paar Kabel, eine Kneifzange und seine ausgezeichneten elektronischen Kenntnisse. Die mit rasiermesserscharfen Glasscherben bestückte, zweieinhalb Meter hohe Mauer ist da schon etwas schwerer zu überwinden. Aber wer so viele Spionagefilme gesehen hat wie Dr. Trash, wird auch damit fertig.
Er zieht Haken und Seil aus dem Rucksack, wirft sie gekonnt über die Mauer, zieht sich hoch und plaziert vorsichtig seine Lederjacke auf der Mauerkrone. Als er sich auf der anderen Seite abgeseilt hat, atmet er erleichtert auf. Nun gilt es nur noch, ins Haus zu kommen.
»Flach auf den Boden und Hände über den Kopf, du Arschloch — sonst blas ich dir das Hirn aus dem Schädel!« gellt auf einmal eine hohe Stimme hinter ihm. Trash fährt zu Tode erschreckt herum und kann nicht glauben, was er sieht: Da steht ein höchstens achtjähriger Knabe im taunassen Gras und bedroht ihn mit einer großkalibrigen Pistole.
Daran ist nur das Fernsehen schuld, denkt der Doc, als er sich resigniert auf die Knie sinken läßt.
Kapitel 11:
»Friedhof ohne Kreuze«
»Guten Morgen, Herr Dr. Trash!« ruft der gutgekleidete Spätdreißiger hinter dem Mahagonischreibtisch in einem etwas zu perfekten Deutsch. »Nehmen Sie doch Platz, bitte. Tee oder Kaffee?«
»Ah, Kaffee. Schwarz«, antwortet der Doc und beobachtet erstaunt, wie die beiden Gorillas, die ihn in dieses Luxusbüro geschleppt haben, mit einer Geste ihres Chefs entlassen werden. Nach den zwei Stunden, die er in einer Betonzelle im Keller der Villa verbringen mußte, hat er wirklich mit allem möglichem gerechnet — nur nicht mit Frühstück.
»Darf ich mich vorstellen: Oleg Brodskij, Mehrheitseigentümer der Kiev Trans-Universal Enterprises«, sagt sein Gastgeber und streckt ihm eine makellos manikürte Hand entgegen. Dann deutet er auf das verzogene Balg, das grinsend neben dem Schreibtisch steht und seine Smith & Wesson schwenkt. »Meinen Sohn Andrej haben Sie ja bereits im Garten kennengelernt.«
Als der Doc
Weitere Kostenlose Bücher