Kurt Ostbahn - Platzangst
und ein vernünftiges Reden möglich war, weiß ich bald schon ein bißl mehr über den Herrn Knapp und sein Handwerk. Daß er sich zum Beispiel bei diesen Ravings und Clubbings, und wie das alles heißt, junge Hasen aufreißt, zu sich nach Haus abschleppt und ihnen sein Fotoalbum zeigt, wenn sie noch nicht restlos überzeugt sind, daß sie mit ihm in die Harpfen springen wollen. So auch geschehen bei der Tochter von den Dings. Na, was soll ich Ihnen sagen: Die Kleine is natürlich Feuer und Flamme und gleich unsterblich verliebt in den großen, weltberühmten Fotografen. Und sie wird ihn begleiten auf seinen Reisen, nach Paris und nach Amsterdam, und er wird sie ganz groß rausbringen, als Fotomodell, weil sie ein Naturtalent is und seine Muse und was weiß der Kuckuck. Na, und was passiert drei Wochen später? Was glauben Sie, Herr Doktor?“ „Keine Ahnung“, sage ich. „Sie reißt aus von daheim und wirft sich dem Knapp an den Hals. Aber der hat schon fünfzehn andere Hasen, mit denen er nach Paris oder Amsterdam fliegen kann, und daraufhin . . .“
„. . . will sie sich von der Kennedybrücke stürzen?“ fällt mir Brunner lachend ins Wort. „Nein, Herr Doktor, so romantisch is die Welt nicht einmal mehr im Kino. Drei Wochen nachdem sie den Knapp kennengelernt hat, finden sie die Eltern am Montag zeitig in der Früh vor der eigenen Haustür draußen in Liesing. Vollgepumpt mit allem, was der liebe Gott verboten hat. Dazu muß man sagen: Die Kleine is kein Waserl, die is eine verrückte Henn und hat ihre Eltern schon allerhand anschauen lassen. Aber in einem solchen Zustand haben sie das Fräulein Tochter noch nie erlebt. Sie wollte übers Wochenende mit einer Schulfreundin ins Burgenland, hat sie ihren Eltern erzählt. In Wahrheit war sie von Freitag abend bis Montag in der Früh beim Knapp in der Auhofstraße. Große Privat-Party. Rambazamba. In ihrem Dusel und ihrem Drogentaumel erzählt sie der Mutter dann so wirre, haarsträubende Geschichten, daß der guten Frau die Grausbirnen aufsteigen. Und wie sie die Kleine zum Aus-nüchtern unter die kalte Dusche stellt, sieht sie, daß ihr Kind am ganzen Körper blaue Flecken hat, Abschürfungen und blutige Kratzer. Und da weiß sie, daß die Geschichten nicht nur daherphantasiert waren. Genügt es Ihnen, wann ich sag, daß der Kleinen an dem Party-Wochenende bei ihrem Freund Knapp mindestens ein halbes Dutzend Mal Gewalt angetan wurde, von Männern und von Frauen, mit Sexualbehelfen aller Art, aber auch mit Haushaltsgeräten und so ziemlich allem, was Sie bei einem halbwegs gut sortierten Haushalt im Gemüsefach vom Eiskasten finden?“
Brunner schaut mich an, dann auf sein leeres Glas und schiebt es mit einer entschiedenen Geste weit von sich an den Tischrand. Offenbar hat er soeben eine Entscheidung getroffen, was ihn und den Scharlachberg betrifft.
„Und wieso sitzt der Knapp dann jetzt nicht im Häfen, sondern is irgendwohin verschwunden?“ frage ich, weil Brunner nur sinnierend dasitzt und keine Anstalten macht, seinen Knapp-Bericht zu Ende zu bringen.
„Hörensagen, Herr Doktor“, sagt er endlich und zündet sich eine Marlboro an. „Hörensagen. Wie ich am nächsten Tag mit dem Opfer, also der Tochter, persönlich red, ist natürlich kein Wort von dem wahr, was die Eltern ausgesagt haben. Der Knapp hat ihr noch nie was angetan, im Gegenteil, alles was an dem Wochenende passiert is, hat sie aus freien Stücken gemacht. Blaue Flecken kommen halt vor, wenn man leidenschaftlichen Sex hat, blutige Kratzer detto, und außerdem hat sie sich mit Fridos Katze angelegt, einem richtigen Luder, das jedem die Krallen zeigt, der ihr zu nah kommt. Und dann jammert mir die Kleine stundenlang vor, daß ihr Frido der liebste, tollste und sensibelste Mann auf Gottes Erdboden ist, ihre Eltern aber gegen diese große Liebe sind und mit allen erdenklichen Tricks versuchen, die Beziehung zu unterbinden. Bei einer solchen Sachlage können Sie sich brausen, Herr Doktor. Da können die Eltern erzählen, was sie wollen. Sie waren nicht dabei, sie haben es nicht gesehen. Alles was sie wissen, hat ihnen das Fräulein Tochter im Delirium erzählt und kann sich nachher an nix mehr erinnern. Hörensagen. Und auch wenn jedes Wort wahr wäre, können sie sich die Aussage aufs Häusl hängen und damit den Arsch auswischen. So schaut’s aus.“
„Verstehe“, sage ich, „Aber ich hab so den Verdacht, das is noch nicht alles. Sie haben sich den Frido Knapp nicht zufällig doch
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