Kurt Ostbahn - Platzangst
aus nächster Nähe angeschaut?“
„Obwohl ich absolut nix gegen ihn in der Hand hab?“ sagt Brunner mit einem verschwörerischen Grinsen.
„Das konnte er ja nicht wissen. Also waren Sie bei ihm oder nicht?“
„Freilich war ich. Aber es is nicht so gelaufen, wie Sie sich das vorstellen, Herr Doktor. Es rennt meistens nicht so. Außer beim Derrick und beim Alten. Der Knapp is ein wiffer Bursch. Freundlich, smart, und mit Augen so kalt wie ein toter Fisch. Der hat mir in zwanzig Minuten die Welt erklärt, und dann bin ich wieder gegangen.“
„Und?“
„Wenn Ihnen jemand frisch und frei erklärt, daß er süchtig ist, sexsüchtig, ein Sexomane, wie man sagt, und alle drei, vier Wochen solche Parties schmeißt für intime Freunde und Gleichgesinnte, weil er das braucht fürs seelische Gleichgewicht und für seine künstlerische Inspiration, was wollen Sie den noch fragen über 17jährige Schulmädchen, die sich von ihm und seiner Clique durchpudern lassen, weil er für sie das Tor zur großen weiten Welt aufgestoßen hat? Typen wie der Knapp wissen auf solche Fragen mindestens fünfzehn Antworten und die sind alle diesseits der Legalität. Nur ein einziges Mal hat er für einen Augenblick nicht weiter gewußt im Text, und zwar, wie ich ihn nach seiner Katze gefragt hab.“
„Weil er nämlich keine Katze hat“, sage ich.
„Ganz genau so is es, Herr Doktor. Aber daraus kann man keinem Menschen in diesem Land einen Strick drehen. Was mich aber brennend interessieren würd, ist, was ihr Computerfreund seinerzeit beim Knapp erlebt hat, dieser Doktor. . .“ „Trash“, helfe ich ihm aus.
„Dresch? So muß ich auch ned heißen. Da is mir Brunner lieber. Und der is ein wirklicher Doktor?“
„Der Doc? Keine Ahnung. Da müßten wir den Trainer fragen. Aber der kommt erst am Samstag zurück aus dem Urlaub.“
„Des is morgen, gelt? Seit ich in der Renten bin, bin ich sowas von aus der Zeit.“
Brunner lacht unsicher. Er wirft einen Blick auf die Flasche Scharlachberg , die nun schon seit geraumer Zeit ungenützt zwischen uns auf dem Tisch steht.
„Übermorgen“, sage ich. „Heut is erst Donnerstag.“ Brunner nickt. Dann schiebt er auch die Flasche an den Tischrand, wo bereits sein Schwenker auf den Abtransport wartet.
„Wie wär’s mit einem Kaffee?“ sagt er dann. „Wir müssen frisch bleiben. Wir haben heute noch ein volles Programm.“ „Wir?“
„Ihr Computer-Doktor galoppiert zwar in die falsche Richtung, wenn er den Knapp für einen Mörder hält, der sein Opfer im eigenen Keller einmauern würde, aber er hat natürlich recht, wann er sagt, daß man nachschauen muß, ob die Leiche noch da ist.“
„Sie meinen. . .“
Ohne meinen zustimmenden Bescheid abzuwarten, ordert Brunner zwei große Mokka. Und ich bin ehrlich erschüttert, daß ich mich erst von seinen Knapp-News gefangennehmen lassen muß, um dann auch aus seinem Munde nichts Vernünftigeres zu hören, als das Remake von Doktor Trash’s Schwachsinnsidee.
Brunner sieht mir meine Verzweiflung an.
„Damit wir uns nicht falsch verstehen“, sagt er, „selbstverständlich werden weder Sie noch ich noch ihr Doktor Dings im Keller nachschauen gehen. Das machen Leute vom Fach. Darum kümmer ich mich gleich. Wir schauen uns inzwischen diesen Italiener an, den Ravioli, oder wie der heißt.“
„Fettuccini“, sage ich, „aber das ist nicht sein richtiger Name.
„Wurscht“, sagt Brunner. „Wenn er mit dem Verschwinden der Leich zu tun hat, dann hat er gestern möglicherweise beobachtet, wie Sie das zweite Mal die Villa besucht haben. Und möglicherweise werd ich heute beobachten können, wie er reagiert, wenn er sie plötzlich in dem Billard-Cafe wiedersieht, im Dings. . .“
„ Savoy . Aber wenn er mich gestern nicht beobachtet hat?“ „Dann spielen wir das Spiel gleich noch einmal. Mit ihren zwei Spezialisten. Tommy und Alex.“
„Ronnie und Axel“, sage ich und werde den leisen Verdacht nicht los, daß Brunners frühzeitige Versetzung in den Ruhestand eventuell mit einer leichten Störung seines Kurzzeitgedächtnisses in Zusammenhang stehen könnte. Aber da ist andererseits dieser neu entflammte Enthusiasmus in seinen Augen, als er seinen Schlachtplan für unseren Abend im Savoy entwickelt, und ich will ihn auch nicht enttäuschen, indem ich jetzt abplanke, ihm sage, es sei nix gewesen und mich ganz einfach wieder verdrücke.
„Die Uschi hat heut Nachtdienst, und mir wär eh fad daheim“, sagt er und trinkt
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