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Kurt Ostbahn - Platzangst

Kurt Ostbahn - Platzangst

Titel: Kurt Ostbahn - Platzangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Broedl
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seinen großen Mokka ex. „Jetzt muß ich schnell telefonieren. Wie war die genaue Adress, haben Sie gesagt, Herr Doktor?
    „Vom Savoy ?“
    „Vom Knapp seiner Villa.“
    „Aufhofstraße 238.“
    „238. Ahja, richtig“, sagt Brunner und geht telefonieren.

14
    21 Uhr 38.
    Ich hab noch zwei Minuten.
    Dann werde ich das Savoy betreten, wie der Kurtl das Savoy betreten würde, wenn er mit Alex und Ronnie zum Poolspielen verabredet ist.
    Im Schaukasten neben der Eingangstür kann ich in der Wartezeit nachlesen, daß heute, Donnerstag, „Caipirinha-Night“ ist, was bedeutet, daß man sich zum halben Preis mit brasilianischem Zuckerrohrschnaps abdichten kann. Im Savoy hat jeder Tag der Woche sein eigenes hochprozentiges Motto. Am Montag heißt es „Viva! Tequila!“, dienstags dann „Bourbon Street“, am Mittwoch „One More Vodka For The Road“. Axel und Ronnie schätzen ganz besonders den Freitag. Da darf nach der Devise „Whammer Slammer“ zum Halbpreis dem Sturztrunk gefrönt werden. Und auch der Samstag, sagen sie, wäre nicht ohne, da würden nämlich Cocktailvariationen wie „Penis Colada“ oder „Bloody Harry“ für ziemliche Ausgelassenheit vor allem unter den jungen weiblichen Gästen sorgen.
    Der Schaukasten neben dem Entree ist eigentlich der einzige Hinweis darauf, daß das Savoy einstmals als der Filmpalast im Herzen von Hernals galt. Das ist schon viele Jahrzehnte her, und in seinen letzten Kinojahren versorgte das Savoy sein dahinschwindendes Publikum mit einem Non-Stop-Programm aus cineastischen Perlen wie „Schamlose Lippen“ oder „Die geilen Hengste von Schloß Tittenburg“.
    Ein findiger Kopf hat schließlich das Foyer zur Musikbar und den Zuschauerraum zur Poolhalle erklärt, was jungen Menschen wie Axel und Ronnie sicherlich mehr Freude macht, als noch ein Drogerie- oder Supermarkt in den würdigen Räumlichkeiten eines ehemaligen Lichtspieltheaters.
    21 Uhr 40.
    Ich betrete das Savoy , wie der Kurtl das Savoy betreten würde, wenn er mit Axel und Ronnie eine Verabredung zum Poolspielen hätte, aber zwanzig Minuten zu früh dran ist.
    „Caipirinha Night“ lautet zwar das getränketechnische Motto des Abends, auf die musikalische Gestaltung hat das jedoch leider keinen Einfluß. Ich hätte mir Antonio Carlos Jobim gewünscht, oder was Frühes von Gilberto Gil, und natürlich Astrud Gilberto. Aber als ich mich an der Bar einparke, zersägt eine Gitarre soeben „Somewhere Over The Rainbow“ in viele kleine Stücke, und eine weibliche Stimme kreischt dazu, als würde ihr dasselbe Schicksal zuteil.
    Durch den Spiegel hinter der Bar sehe ich Brunner allein an einem Tisch sitzen, von dem aus er sowohl die Pooltische im ehemaligen Zuschauerraum überblicken kann als auch das Geschehen an der Theke.
    Er hat sich extra was Legeres angezogen, um unter dem jungen Publikum nicht unangenehm aufzufallen. Aber mit seinem schwarzen Rollkragenpulli und der rehbraunen Rauhlederjacke sieht er erst recht aus wie ein verdeckter Ermittler.
    Vor ihm steht eine Tasse Kaffee. Koffeinfrei, hat er mir bereits vorhin angekündigt. Wegen der Pumpe. Und er hat zwei Asprin geschluckt, wegen des leisen Kopfschmerzes, der sich vermutlich deshalb angesagt hat, weil der Körper nur verstört und verstimmt reagieren kann, wenn ihm völlig überraschend und ohne Vorwarnung der Scharlachberg entzogen wird.
    Vielleicht liegt es am grauslichen Wetter oder an den Berührungsängsten der Wiener Jugend mit der brasilianischen Trinkkultur, jedenfalls wollen heute nicht wirklich viele Menschen den Caipirinha zum halben Preis verkosten. Ich schau mich um an der Bar und zähle genau fünf.
    Ein frisch verliebtes Paar stößt soeben mit dem Cocktail des Abends an. Der Muskulöse mit der Stoppelglatze kneift dabei dem Zarten mit den silbernen Adonislocken und der silbernen Plastikhose in den Zwetschkenhintern. Und beide lachen ausgelassen, ehe sie nippen. Zwei Mädchen, die aussehen, als wären sie heute mit der Zeitmaschine aus dem Sommer 1967 angereist, diskutieren mit einem in dekoratives Schwarz gehüllten Pessimisten über den nahenden Weltuntergang. Er macht dabei ein Gesicht, als wüßte er nicht nur das Wie und Warum, sondern auch das genaue Datum, während die beiden Blumenkinder an der Allmacht der Liebe festhalten, weil die auch mit diesem Problem termingerecht fertig werden wird.
    Von einem Fettuccini, auf den Axels und Ronnies Beschreibung paßt, ist weit und breit nix zu sehen.
    21 Uhr 52.
    Ich bestelle mir

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