Kurt Ostbahn - Schneeblind
Verkäuferin wird bluten, sehr viel bluten und dann sterben. Das ist freilich nur ein erster, kleiner Schritt auf dem Weg in ein neues Leben.
Sie wird dieser Tage sterben und danach oder davor diese Schlampe, die neuerdings beim »Mondo« auf ihrem breiten Arsch an der Kasse sitzt und damit meine Sinne reizt. Vielleicht müssen alle Weibsbilder bluten und sterben, die durch ihre Schamlosigkeit Auslöser für mein Tosen sind, bis es keine blutroten Wolken mehr gibt in meinem Kopf, sondern nur noch blauen Himmel, Sonnenschein und himmlische Stille?
Leider können wir nicht mehr so verkehren wie früher, da man mich der technischen Mittel beraubt hat, aber ich werde Sie selbstverständlich im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten über meine Fortschritte auf dem laufenden halten. In ewiger Dankbarkeit,
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Ich brauch dringend noch einen Kaffee, jetzt nachdem ich die frohe Morgenbotschaft studiert hab, die mir der Trainer — zusammen mit der ersten Nachricht seines kranken Faxschreibers — zugeschickt hat. Im Zusammenhang mit obigem Erguß, den bisherigen Erkenntnissen des Doc und der nächtlichen Enthüllung, daß des Trainers einstige Jugendliebe heute als Domina praktiziert, macht das erste Fax vom 12. Februar erst wirklich Sinn. Und zwar insofern, als sich uns der Verfasser als ein krankes, von religiösem Wahn und sexuellen Nöten, Frauenhaß und Zwangsvorstellungen getriebenes Wesen vorstellt.
Denk ich mir halt. Als besorgter Laie.
Und weil wir grad dabei sind, möchte ich Ihnen den gesamten Wortlaut der von mir — ich gebs unumwunden zu, aber so was kann Vorkommen! - grob unterschätzten ersten Faxbotschaft zur gefälligen Kenntnisnahme vorlegen. Keine Sorge, die ist deutlich kürzer, und - wen’s interessiert — wie obiges Werk geschrieben auf einem PC mit »Times New Roman«, 14 Punkt, kursiv.
Ich habe jede Verbindung verloren.
Die Blutwolke ist in meinem Kopf.
Es genügt ein Blick aus dem Fenster, und mein Toben fängt wieder an. Es sind die Gedanken, die der Ausrottung bedürfen, und nicht die Körper, die sie in sich tragen.
Alle Ihre Strafen waren vergeblich.
Es wird die Welt nicht untergehen, und die Flüsse werden nicht stromaufwärts fließen, wenn Du blutest aus tausend Wunden, bis kein Leben mehr in Dir ist!
Nichts wird geschehen. Gar nichts. Aber ich werde danach endlich leben. Für immer.
Vielleicht bin ich auf dem richtigen Weg. Vielleicht will ich nicht sterben, ohne gelebt zu haben? Vielleicht ist es meine Bestimmung, Leben in mir zu spüren, wenn andere bluten?
Ich werde von Ihnen keine Antwort erhalten können, also mache ich mich auf die Suche,
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FEIERABEND.
Draußen tobt ein Schneesturm, der sich gewaschen hat.
Die beiden Heizstrahler im Schankraum des Cafe Rallye laufen auf Hochtouren, und trotzdem will sich keine Behaglichkeit einstellen. Mein Stammgastronom für die zweite Hälfte des Tages, der ehemalige Rallyefahrer und Fremdenlegionär Josef Weinhofer, der von seiner betagten Klientel respektvoll mit Herr Josef angesprochen wird, hat in seiner kleinen Lokalität seit Menschengedenken keine baulichen Veränderungen, wie zum Beispiel das Abdichten von Türen und Fenstern, vornehmen lassen. Daher zieht s im Rallye an stürmischen Abenden wie diesem wie in einem Vogelhaus. Heute ist der Luftzug so stark, daß sich sogar der schwere moosgrüne Filzvorhang, der das Hinterzimmer und die hygienisch nicht unbedenklichen Toilettenanlagen vom Schankraum trennt, in der steifen Brise hin- und herwiegt.
Das Hinterzimmer ist in den Wintermonaten unbeheizt und somit für die Gäste unbenützbar. Der Herr Josef hat seine beiden Flipper (»Monte Carlo Rallye« und »Indianapolis Race Track«), zwei Automaten aus einer längst vergangenen Zeit lang vor der elektronischen Revolution, vom Strom abgesteckt und in einen Winkel geschoben, weil er den Platz im Winter für Getränkekisten und seine beachtliche Leergutsammlung braucht, die keine Unterschiede zwischen Weißglas und Buntglas macht, aber dafür so manches geleerte Gebinde enthält, dessen Etikett allein den spirituosenkundigen Betrachter schon an delirium tremens und schlagartiges Erblinden denken läßt. Die Produktpalette führt uns sozusagen rund um den Erdball, vom Tequila »Amigo« — destilliert und abgefüllt in Rumänien — bis zu edlen Whiskeys und noblen Weinbränden, die irgendwo zwischen der Ukraine und Bratislava geblendet und komponiert wurden.
Ich trink’ im Rallye vorsichtshalber und aus Tradition
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