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Kurt Ostbahn - Schneeblind

Kurt Ostbahn - Schneeblind

Titel: Kurt Ostbahn - Schneeblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Broedl
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würde.
    »Ich weiß auch nicht«, sagte er. »Sie hat so gegen halb elf angerufen, daß es bei ihr im Haus brennt. In der Nachbarwohnung dürfte der alleinstehende Pensionist mit einer Zigarette in der Hand im Bett eingeschlafen sein. Jedenfalls drang dicker Qualm aus der Wohnung. Nora hat daraufhin Rettung und Feuerwehr alarmiert. Und die Feuerwehr hat den gesamten Stock evakuiert, wegen der möglicherweise hochgiftigen Dämpfe. Und da hat sie mich angerufen, weil ich gleich in der Nähe wohne.«
    »Ich will mit dieser Nora reden«, sagte ich zum Trainer. »Und zwar noch bevor ihr oder dir was Gröberes zustößt!«
    Irgendwas irritiert mich an dieser Love-Story. Irgendwas stimmt da nicht oder läuft ganz anders, als der Trainer mir weismachen will. Ich weiß nur noch nicht was. Und das wurmt.
    Am Henriettenplatz ist bei gut zehn Minusgraden alles ruhig und menschenleer.
    Nur der Ostbahn ist unterwegs. Er sucht die Abfalleimer, Kinderhutschen und die Telefonzelle nach zweckdienlichen Hinweisen ab. Er durchkämmt den Fußballkobel. Er überprüft die Heiligenstatue und das furchteinflößende Portal des Gymnasiums auf satanistische oder außerirdische Umtriebe. Ohne Erfolg.
    Irgendwie ein öder Job.
    So gegen 11 sind mir Hintern, Finger und Nasenspitzl dermaßen abgefroren, daß ich die Operation für beendet erkläre. Das Ergebnis ist eindeutig negativ. Nix, absolut nichts weist auf den angekündigten Mega-Event mit Freibier und einem Freispiel am Armageddon-Flipper hin. Ich bin nicht enttäuscht, weil ich nix anderes erwartet habe. Aber ich bin leicht verbittert, weil ich nicht konsequent und kategorisch genug »Nein« gesagt hab, als mich der Doc aus meiner guten Stube hinaus in die Saukälte und auf einen Nebenschauplatz gejagt hat, auf dem das Blutigste ein Kilonetz fauliger Blutorangen ist, das ich im Mistkübel neben der Telefonzelle gefunden habe.
    Meine Verbitterung wächst, als ich mit klammen Knochen in meine Bleibe zurückkehre und feststellen muß, daß sich der neue CD-Wechsler in meiner Abwesenheit in Kris Kristofferson verliebt hat.
    Er spielt »To Beat the Devil« auf immer und ewig.

5
    MARILYN, BRUCE & GERDA.
    Pünktlich zur Geisterstunde krieg ich Post vom Doc.
    Der marode Privatgelehrte will in seiner Expertise meine Aufmerksamkeit zuerst auf die Kopfzeile der Faxe 1, 3 und 4 lenken. Der könne man nämlich entnehmen, wann und von wo die drei Schreiben abgeschickt wurden. Da ich dem Kleingedruckten am oberen Seitenrand heut’ nachmittag beim Quell kein Augenmerk geschenkt habe, wahrscheinlich wegen der schlechten Lichtverhältnisse, oder weil ich ausnahmsweise ohne meine Lesebrille zum Wirten gegangen bin, darf ich jetzt darüber staunen, daß diese drei Faxe vom Hauptpostamt am Westbahnhof in die Meidlinger Mansarde übermittelt wurden, und zwar jeweils um zirka 16 Uhr.
    Das zweite Fax, das den Trainer in den frühen Morgenstunden des 12. Februar erreicht hat, verfugt über keine solche kleingedruckte Kopfzeile, was den Doc gleich einmal stutzig gemacht und zu der Vermutung veranlaßt hat, daß es sich hier um einen zweiten, von den anderen unabhängigen Absender handelt.
    Und seine genauere Analyse der blutig blöden Botschaften hat diesen seinen ersten Verdacht bestätigt, teilt er mir mit.
    Denn der oder die Verfasser der Faxe 1, 3 und 4 befleißigen sich einer Sprache, die stark geprägt ist von bei der heutigen Jugend populären Spielfilmen, TV-Serien, Videos und Musikproduktionen.
    Als Beispiele dafür führt der Doktor an: »The Dome«, die von einem privaten Fernsehsender in Kooperation mit der Tonträgerindustrie organisierte Veranstaltungsreihe, in der beliebte Interpreten der modernen Schlagerund Tanzmusik vor der Kulisse tausender kreischender, hüpfender Teenager so tun, als würden sie gleichzeitig tanzen, musizieren und singen. Eine Vollplayback-Show, resümiert der Doc, die bald nach der Fernsehausstrahlung auch auf CD erhältlich ist und vom jugendlichen Publikum in beängstigend großen Stückzahlen gekauft wird.
    Ähnlich ausführlich äußert er sich über den im ersten Fax erwähnten Marilyn Manson, laut Doc ein Rock’n’Roll-Antichrist der geschäftstüchtigen Art, dessen prägende sexuelle Erfahrungen eng mit frühen Alice-Cooper-Platten verknüpft sein müssen, und der sich später an der Universität von Sin City eingehend mit dem Lebenswerk von Iggy Pop auseinandergesetzt hat, um dann den schlauen Entschluß zu fassen, die aktualisierte, teenagertaugliche

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