Kurt Ostbahn - Schneeblind
Reinkarnation seiner beiden garstigen Helden zu werden.
Lang und breit verweist der Doktor in seiner Expertise auch auf Spielfilme wie »12 Monkeys« und »Armageddon«, beide mit Bruce Willis in der Hauptrolle, sowie auf ein martialisches Computerspiel, in dem man als Bruce Willis und bis an die Zähne bewaffnet die drohende »Apocalypse« ab wenden muß.
Seine Recherchen haben ergeben, daß der oder die Autoren der Faxe 1, 3 und 4 besagte Filme, das Playstation-Spiel und überhaupt das œuvre von Bruce Willis sehr genau kennen und daraus auch gerne zitieren.
Und er erinnert mich daran, daß dieser von mir und dem Herrn Trainer hochgeschätzte Schauspieler (der außerdem und nebenberuflich eine absolut amtliche blues harp bläst und sich ein zweites Standbein als R&B-Musiker schaffen könnte, für den Fall, daß die Zeiten härter und die Scheidungen teurer werden), daß Bruce Willis also in mehreren meiner in Buchform veröffentlichten Fallberichte erwähnt, paraphrasiert oder — wie in »Kurt Ostbahn: Kopfschuß« (1999) - sogar als Ostbahn-Zweitbesetzung bei einer eventuellen Verfilmung des an sich nicht sehr filmischen Stoffes empfohlen wird.
Mit leisem Spott notiert der Doc, daß mir bei der Durchsicht der Faxe offenbar auch entgangen ist, daß Fax 1, 3 und 4 von »Mitgliedern Deiner Täterfamilie« unterzeichnet wurden. Vom »Dichter« (aus »Blutrausch«), vom »Totenvogel« (aus »Platzangst«), und von »Dichter & Totenvogel« im Falle des vierten und vorläufig letzten Schreibens.
Das Fax Nr. 2 hingegen ist unterzeichnet mit einem schrägen Kreuz, das der Doc weniger als ein religiöses Symbol, sondern eher als Drohung, als eine Art wütendes Warnsignal deuten würde.
Die Diktion dieser Botschaft, führt er weiter aus, legt die Vermutung nahe, daß es sich hier um keinen Jugendlichen handelt. Wir haben es mit einer männlichen Person mittleren Alters zu tun, die massiv unter ihrer Lebenssituation leidet, unter einer psychischen und/oder körperlichen Enge, in der sie sich derzeit nur mit blutigen Visionen Luft und Raum machen kann. Das angekündigte Gemetzel, das den Verfasser dieser Zeilen endlich von seinen Qualen befreien und ihm das ewige Leben schenken soll, ist das rituelle und grausame Töten einer ebenso geliebten wie verhaßten Person. Wie wir allerdings wissen, schreibt der Doc, werden solche Morde oft an völlig Unbeteiligten geübt. Der Killer will ganz genau wissen, was zu tun ist, ehe er die eigentliche, sozusagen heilige Tat begeht. In vielen Fällen verübt der Mörder im Anschluß an sein »Lebenswerk« Selbstmord, richtet sich selbst am Schauplatz seines Verbrechens.
Wieso dieses Schreiben eines von mörderischer Liebe oder Haß getriebenen Maniacs ausgerechnet beim Trainer landet, einem zwar kopflosen, aber herzensguten Menschen, der es sich wirklich nicht verdient hat, rituell geschnetzelt zu werden, würde Doktor Trash selbst gern wissen.
Ihm fällt zu diesem Thema nur Nora ein, die unbekannte Bekannte des Trainers, die ihm am Flughafen von Teneriffa sozusagen zugeflogen ist.
Ganz meine Rede.
Also ruf ich zu später Stunde den Trainer an. Er klingt zur Abwechslung wieder gereizt, nervös, unwirsch.
Ich setze ihn von der Expertise des Doc in Kenntnis.
»Wunderbar«, ist sein einziger Kommentar.
»Und? Hast du die Nora erreicht?«
»Nicht direkt«, sagt der Trainer.
»Was bedeutet?«
»Was bedeutet, daß ich nicht mit ihr persönlich gesprochen hab, aber mit ihrer Zofe. Und die wird ihr ausrichten, daß sie mich dringend zurückrufen soll. Okay?«
»Nora hat eine Zofe?« frage ich. »Hast du dich da nicht verhört? Oder eventuell im falschen Jahrhundert angerufen, Trainer?«
Der Trainer produziert ein gequältes Seufzen.
»Nein. Ich hab mich nicht verhört. Die Zofe heißt übrigens Gerda ...«
»... und meldet sich auf Noras Handy immer mit >Ja, bitte?«<
»So is es. Sie ist sozusagen Noras Sprechstundenhilfe und Assistentin.«
»Wobei?«
»Bei den Sachen, die eine Domina halt so macht, Kurtl. Mehr kann ich dir dazu im Moment nicht sagen. Ich weiß das auch erst seit kurzem.«
»Von Gerda, der Zofe?«
»Ja.«
»Großartig«, sage ich.
6
BLUT & SÜNDE.
Keine Kopfzeile, kein Absender, keine Anrede, aber eine unmißverständliche Botschaft. Geschrieben auf einem PC, ich schätz über den Daumen mit »Times New Roman«, 14 Punkt, kursiv.
Der Trainer ist fürwahr nicht zu beneiden.
Wenn aus meiner Faxmaschine Briefe wie dieser kämen, ich würd
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